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"Ich warte immer noch darauf, dass ich in die Wechseljahre komme" - das große Interview mit Heidi Klum

Ein Interview von Petra Winter
9 Dez. 2024

Seit 20 Jahren steht Heidi Klum an der Spitze der deutschen TV-Branche. „The German Wonderwoman“ nennt man sie in den USA. (Foto: Zeb Daemen)
Seit 20 Jahren steht Heidi Klum an der Spitze der deutschen TV-Branche. „The German Wonderwoman“ nennt man sie in den USA. (Foto: Zeb Daemen)

Wir sprachen mit Heidi Klum über 20 Jahre GNTM, Energie-Booster, Aufräumen, ihr Ehe-Geheimnis und Kinder-Käse

Ein strahlendes Lachen, eine herzliche Umarmung: In einer Penthouse Suite des „Mandarin Oriental München“ treffe ich Heidi Klum zum Interview. Sie trägt einen wattierten olivgrünen Samt-Anzug von Ziggy Chen, dazu neongrüne Balenciaga-Sneaker. Dunkle Haarsträhnen durchbrechen das gewohnte Blond. Vor genau 20 Jahren haben wir uns kennengelernt. Ich war damals Gast-Jurorin der Casting Show GNTM. Jetzt also das große Jubiläum im Jahr 2025! Wow!

„Wir haben uns natürlich gar nicht verändert seitdem“, lacht sie, als ich ihr ein Bild von uns beiden aus dem Jahr 2005 zeige. Die ersten Drehtage in München liegen hinter ihr. Drei Wochen täglich zwölf bis 14 Stunden am Set. Heidis mitreißende Art sorgte schon damals dafür, dass niemand aus dem Team schlapp machte. Wenn sich die ersten Anzeichen dafür zeigten, sang sie uns einfach etwas vor. Den italienischen Gassenhauer „Che sarà“ zum Beispiel. Irgendwie ging es dann wieder trotz roter Augen und Jetlag.

Heidi, 32 Jahre im Business, 20 Jahre GNTM: Auf einer Skala von 1 bis 10 – wie steht es um Dein Energielevel?

Oh, das ist ungebrochen eine 10! Eine Herausforderung ist nur, dass nach 20 Jahren GNTM sehr viele neue Leute am Set sind, und da habe ich wahnsinnig viele Hüte auf einmal auf, das Level soll ja top bleiben. Und es wird immer mehr Content produziert. Wir sind schon bei drei Stunden Show am Abend plus die Inhalte, Behind the Scenes, Outtakes für die Streaming-Dienste, die die echten Mega-Fans gucken. Für die kommende Staffel haben wir sogar zwei Slots pro Woche, dienstags und donnerstags, weil wir die Jungs und die Mädels erst mal fünf Wochen getrennt voneinander zeigen. In L. A. sehen sie sich dann zum ersten Mal. Außerdem haben wir immer andere Juroren.

Was tust Du, um mit 51 Jahren so strahlend auszusehen?

Ich warte immer noch darauf, dass ich in die Wechseljahre komme, Hitzewallungen und so weiter bekomme. Meine Mutter hatte die glücklicherweise nicht. Vielleicht geht es mir aber auch so gut, weil ich – zusammen mit meinem Mann – regelmäßige Checkups mache. Da erfahre ich, welche Mängel ich habe, und dann werden mir hochdosiertes Vitamin D und Eisen-Infusionen verschrieben, weil mein Speicher total leer ist. Das baut mich immer gut auf. Bestimmt habe ich deswegen mehr Energie. Nicht so schön ist, dass ich nicht mehr so viele Fette essen darf wegen meines hohen Cholesterin-Spiegels. Der ist leider genetisch bedingt.

Ihre Erfolgsformel: Weiblichkeit, Nahbarkeit, unbedingter Einsatz – und die untrügliche Intuition aus dem Fashionbusiness Entertainment für alle zu machen. (Foto: Zeb Daemen)
Ihre Erfolgsformel: Weiblichkeit, Nahbarkeit, unbedingter Einsatz – und die untrügliche Intuition aus dem Fashionbusiness Entertainment für alle zu machen. (Foto: Zeb Daemen)

Bewegst Du Dich viel?

Ich wüsste gar nicht, wann ich noch Sport machen soll, ich arbeite ja die ganze Zeit. Heute Nachmittag gehen wir mal alle zusammen raus, meine Gang und ich: Rankin (Heidis Lieblingsfotograf, Anm. der Red.) ist hier, meine Make-up Artistin Linda, Wendy, meine Haar-Stylistin. Da bewegen wir uns ein bisschen.

Wie sieht ein lazy day bei Heidi Klum aus?

Ich bin zuhause und räume auf. Meine Tochter Lou ist genau wie ich – platziert überall Häufchen und geht dann von einem zum nächsten. Ich habe auch so 1000 Projekte, an denen ich immer herumfummele. Zuletzt habe ich zehn Tage lang   meinen  Kleiderschrank aufgeräumt und 65 große schwarze Säcke rausgeholt. Es sieht aber leider immer noch so aus, als sei gar nichts passiert. Ich hatte noch Jeans in Größe 25: Sei realistisch, habe ich mir gesagt, da werde ich nie mehr reinpassen. Und meine Töchter wollten die auch nicht haben. Ich habe alles weggegeben und die übrigen Kleider nach Stimmungen sortiert, etwa: Ich möchte es gern bequem haben, muss aber auch ordentlich aussehen. Oder: Sexy Date Night mit meinem Mann.

Noch mal zurück zu GNTM: Was sagst Du heute den größten Kritikern von damals, als die Show begann? Es gab ja eine Menge Gegenwind…

Ich denke immer, schöne Frauen werden gern gesehen, wollen auch immer gern gesehen werden. Und die, die gern gesehen werden wollen – warum sollen wir denen keine Plattform geben? Es hat sich viel getan in diesen 20 Jahren. Wir sind mit der Show mit der Zeit gegangen. Ich wünschte dennoch, wir wären manchmal noch weiter vorn gewesen. Zu meiner Zeit waren alle Models wie eine Armee, ziemlich gleich. Da war selten jemand zum Beispiel in Plus Size dabei, der ganz anders war.

Wer ist hier der Boss? Heidi Klum im taupefarbenen Männeranzug mit doppelschichtigem Revers zum gestreiften Viskose-Leinen-Hemd, von Emporio Armani. Gestylt von Konstantin Spachis. (Foto: Zeb Daemen)
Wer ist hier der Boss? Heidi Klum im taupefarbenen Männeranzug mit doppelschichtigem Revers zum gestreiften Viskose-Leinen-Hemd, von Emporio Armani. Gestylt von Konstantin Spachis. (Foto: Zeb Daemen)

Welche Highlights der Show haben einen besonderen Platz in Deinem Herzen?

Ich hatte hunderte von Kandidatinnen über die Jahre, von denen ich immer einige beim Finale wiedersehe. Eigentlich bin ich nach der finalen Show immer total durch, möchte meine Schuhe ausziehen und ins Bett gehen. Geht aber nicht, weil meine Mädchen noch mal Hallo sagen wollen. Das Schönste ist: Viele der Mädchen sind jetzt überall im Fernsehen. Eigentlich ist das deutsche Fernsehen gar nicht mehr ohne sie denkbar!

Und über welche „Patzer“ oder schwierigen Situationen Deiner Karriere bei GNTM ärgerst Du Dich bis heute?

Nur, dass ich viel früher hätte anfangen können, verschiedene Formen von Schönheit zu zeigen. Ich komme aus einer Schule beziehungsweise aus einer Model-Ära, wo es nicht okay war, Cellulite oder Speckrollen zu haben. Die Hose musste zugehen. Sonst wurden einem Pillen angeboten. Heute ist das okay. Ich wurde oft als dick bezeichnet

Gerade wurde Dir der bayerische Fernsehpreis, der Blaue Panther verliehen. Ehrt Dich das, auch einmal hier – nach Deinem Emmi in den USA – anerkannt zu werden für GNTM?

Ich bin schon geehrt. Am Ende interessiert mich aber mehr, wie viele Menschen meine Show gucken.

2008 bist Du Amerikanerin geworden. Auch, weil Du im Herzen schon immer eher der amerikanischen Mentalität näherstandest?

Das war gar nicht so einfach – ich habe da wie in der Schule gelernt für den Staatsbürger-Test. Die Fragen sind nicht multiple choice, die musst du mündlich beantworten. Abgesehen davon: Ich wohne schon länger in den USA als in Deutschland. In meinem Herzen sind beide Heimatländer verankert, das hat sicherlich auch mit meinen Kindern zu tun, die ja Amerikaner sind. Seit ich mit Tom zusammen bin,
sprechen wir mehr Deutsch zuhause als früher. Henri hat jetzt auch Deutsch in der Schule. Er ruft mich öfter an, damit wir zusammen Hausaufgaben machen. Was er gar nicht versteht, ist die Unterscheidung von Sie und Du. Und dass Gegenstände weiblich, männlich oder neutral sein können.

"Für die kommende Staffel von GNTM haben wir sogar zwei Slots pro Woche, dienstags und donnerstags, weil wir die Jungs und die Mädels erst mal fünf Wochen getrennt voneinander zeigen." (Foto: Zeb Daemon)
"Für die kommende Staffel von GNTM haben wir sogar zwei Slots pro Woche, dienstags und donnerstags, weil wir die Jungs und die Mädels erst mal fünf Wochen getrennt voneinander zeigen." (Foto: Zeb Daemon)

Seit fünf Jahren bist Du mit Tom Kaulitz verheiratet – Ihr wirkt sehr glücklich. Was ist das Geheimnis Eurer Ehe?

Oh, erst fünf? Ich dachte, schon sechs?! Er versteht mich total, ist liebenswert. Wir können zusammen normal sein, er spielt mir nichts vor, ich muss ihm nichts vorspielen. Er weiß, wie ich aussehe, wenn ich nicht geschminkt bin, morgens zerknautscht aussehe und ihn kaum erkenne, weil meine Augen immer schlechter werden. Er mag mich, wie ich bin.

Wir haben Spaß zusammen! Das hat auch mit seinem Alter zu tun. Mit 35 Jahren hat man eben mehr Energie, als wenn ich jemanden hätte, der zehn Jahre älter ist als ich. Ich bin nicht jemand, der rumsitzt, ich liebe Spontaneität. Mit Bill, Toms Bruder, ist das genauso. Ich habe ja direkt zwei geheiratet. Den kann ich auch um Rat fragen, wenn Tom was macht, was mich nervt.

Du bist gerade bei der Eröffnung von „Crazy Pizza“ in New York dabei gewesen, gegründet von Flavio Briatore: Ihr habt offenbar einen guten Draht?

Klar, er ist der biologische Vater meiner ältesten Tochter Leni. Er hat eine ganze Kette dieser Pizza-Läden. Ich habe da investiert. Meine liebste Pizza ist die Pizza Hawaii. Wir streiten gerade noch, ob die auf die Speisekarte kommt. Flavio findet das ganz grässlich. Gorgonzola finde ich aber auch geil, so schön stinkigen Käse. Tom hasst das, der isst lieber Kinder-Käse – ohne viel Geschmack. Für meine Kinder macht er gern trockene Nudeln auf einem Blech mit Knorr-Pulver, Sahne und Käse – ein richtiges Kinderessen.

Welche Zutaten gehören für Dich zum Glück unbedingt dazu?

Unbedingt Zeit, um gar nichts zu tun. I love! Am liebsten hätte ich alle meine Kinder zuhause um mich herum, im Garten herumhängen, sich sonnen, BBQ machen. Ich habe ja nur noch zwei daheim. Klar, ist es auch schön, wenn die Kids bei ihrem Vater sind und ich mit Tom nach St. Barth fliegen kann, um am Strand zu chillen. Das geht auch zwei Wochen lang – ohne aufs Handy zu gucken. Alles ist ja heute immer so urgent.