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Nachhaltigkeit in der Mode – Ein Gespräch mit Dounia Wone von Vestiaire Collective

Ein Artikel von Lisa Riehl
8 Mai 2024

Meterhohe Berge an weggeworfener Kleidung (Foto-Composing mit dem Kolosseum in Rom). Vestiaire Collec­tive möchte dem entgegen­wirken (Foto: Courtesy of Vestiaire)
Meterhohe Berge an weggeworfener Kleidung (Foto-Composing mit dem Kolosseum in Rom). Vestiaire Collec­tive möchte dem entgegen­wirken (Foto: Courtesy of Vestiaire)

Schnell produziert und wieder aussortiert? Mode soll in Europa ein längeres Leben haben. Dafür muss man sie weitergeben, reparieren lassen oder zu ganz neuen Kleidern umschneidern. Drei Ideen für mehr Wertschätzung der eigenen Garderobe

Politiker in Brüssel geben für gewöhnlich keine Modetipps

Im vergangenen Sommer konnte EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius aber nicht anders: „Fast Fashion ist aus der Mode gekommen“, erklärte er. Grund für die Trendanalyse aus der Politik waren die 16 Gesetzesvorlagen und Richtlinien, die da gerade im EU-Parlament auf den Weg gebracht wurden. Sie sollen die Textil- und Modeindustrie zu verantwortungsvollerem Handeln zwingen. Denn dass die sich jahrzehntelang einfach selbst regulieren durfte, hat fatale Folgen. Die Branche hat den vierthöchsten Einfluss auf Umwelt und Klimawandel, verbraucht Unmengen an Ressourcen und verursacht pro Jahr 5,8 Millionen Tonnen Textilabfall allein in Europa. Klima­neutral bis 2050 kann man so nicht werden.

Neue Strategien und Gesetze

Darum hat man die „EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien“ verabschiedet. Sie enthält zum Beispiel Ökodesign-Anforderungen, um die Mode in der EU langlebiger zu machen, leichter zu reparieren, zu recyceln und wiederzuverwenden. Den Nachweis soll in Zukunft ein digitaler Produktpass liefern. Ein neues EU-Lieferkettengesetz soll Unternehmen – sobald die Politik sich einigt – für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards haftbar machen. Hersteller sollen außerdem die Kosten für das Einsammeln, Sortieren, Recyceln und Entsorgen von Textilabfall tragen. Was nicht verkauft wird, darf nicht mehr zerstört werden. Greenwashing wird bestraft, wenn Aussagen über die eigene Nachhaltigkeit nicht belegt werden können.

Nicht nur Billigmodeketten

An dieser Stelle muss man nun die Modeprognose von Virginijus Sinkevičius etwas korrigieren. Denn dass alle EU-Regulierungen nur in einem Atemzug mit Fast Fashion genannt werden, ist irreführend. Sie betreffen nicht nur Billigmodeketten, sondern alle Labels, die schnell und unter unwürdigen Bedingungen Wegwerfkleider produzieren. Es ist das Modell, das aus der Mode kommen muss.

„Was wieder verkauft werden kann, ist die bessere Investition in einer Krise.“

Dounia Wone, Vestiaire Collective

MAISON MADAME: Frau Wone, Sie sind Chief Impact Officer von Vestiaire Collective. Was bedeutet der Titel?

Dounia Wone: In meinen Bereich fallen Nachhaltigkeit, aber auch soziale Themen wie Diversität und Inklusion. Bei Vestiaire Collective bin ich mit dieser Aufgabe in einer privilegierten Position, weil das Unternehmen kreislauffähig ist. Was nicht heißt, dass wir nichts zu tun haben. Es ist unsere erweiterte Mission, die gesamte Mode­industrie zu verändern. Damit Kreislaufwirtschaft nicht nur eine nette Ergänzung ist, sondern schon bei der Produktion berücksichtig wird.

Wie weit sind Sie damit?

Als ich vor drei Jahren zu Vestiaire Collective gekommen bin, mussten wir erst mal Grundlagen schaffen. Wenn in Frankreich und überall in Europa über die Zukunft der Mode diskutiert wurde, dann nur mit den großen Marken. Wir wollten mit am Tisch sitzen und mussten beweisen, dass Secondhand nicht einfach nur ein Trend ist. Also haben wir Zahlen und Daten geliefert. Das Ergebnis waren erfolgreiche Kooperationen mit Brands wie Burberry und Chloé. Unser Einfluss wird größer.

Sie kommen aus der Politik. Warum haben Sie den Schritt in die Industrie und speziell in die Mode gemacht?

Umweltthemen, die Kreislaufwirtschaft und soziale Innovation sind der rote Faden meiner Karriere. Ich war zehn Jahre lang in der Politik aktiv, bei der grünen Partei in Frankreich. Aber ich wollte wissen, wie man die Dinge wirklich verändern kann. Es war mir wichtig, für ein Unternehmen zu arbeiten, dass nicht negativ behaftet ist, falls ich mal zurück in die Politik möchte. Nachdem ich die Gründerinnen von Vestiaire Collective, Sophie Hersan und Fanny Moizant, getroffen hatte, wusste ich, dass es passt.

Jetzt leisten Sie selbst Lobbyarbeit in Brüssel. Wie viel Politik steckt in Ihrem aktuellen Job?

Im EU-Parlament gab es im vergangenen Jahr Diskussionen um EPR, die erweiterte Herstellerverantwortung, mit der Unternehmen das Sammeln, Sortieren und Recycling von Textilabfall finanzieren müssen. Aus meiner Vergangenheit weiß ich, was wir in Frankreich gut gemacht haben und wo die Schlupflöcher in der EU sind. Also haben wir uns für die Gesetzesver­änderung stark gemacht. Mehr Kontrollen, eine klare Regulierung für Textilexporte und -abfälle. Wir haben bisher 60 Prozent unseres Textilmülls in den Globalen Süden geschickt.

Das bringt uns zum Thema Fast Fashion. Die hat Vestiaire Collective gerade von der Plattform verbannt.

Mein Lieblingsthema.

Warum haben Sie beschlossen, keine Fast-Fashion-Artikel mehr zuzulassen?

Für uns war auch das eine politische Entscheidung, weil wir nicht an das Fast-Fashion-Modell glauben. Studien in Frankreich zeigen, dass Menschen seit zehn Jahren durchschnittlich den gleichen Betrag für Mode ausgeben, aber mehr günstige Teile kaufen. Wir möchten, dass sie wieder weniger und dafür gute Stücke wählen. Was wieder verkauft werden kann, ist die bessere Investition in einer Krise. Und ich spreche nicht nur von der Klimakrise, sondern auch von der Wirtschaftskrise.

Wie haben Sie Fast Fashion definiert?

Die beiden großen wichtigen Themen sind Überkonsum und Überproduktion. Es gibt dafür verschiedene Kriterien, die sich quantifizieren lassen, zum Beispiel wie viele Produkte gleichzeitig im Verkauf sind und wie schnell neue Produkte auf den Markt gebracht werden. Darauf haben wir uns fokussiert, um mit Experten aus der Modeindustrie und von Wohltätigkeitsorganisationen einen Rahmen zu finden: Was unterscheidet Fast-Fashion-Anbieter von anderen Marken? Anschließend haben wir eine künstliche Intelligenz genutzt, um die verschiedenen Brands zu screenen. Die KI hat eine Punktzahl ergeben, nach der wir ausgewählt haben. Wir haben sie auch auf Premium- und Luxus-Brands angewendet, um ganz sicherzugehen.

Mit welchem Ergebnis?

Es gab einen riesengroßen Unterschied.

Was macht Sie optimistisch für die Zukunft?

Wir bewegen bereits die gesamte Industrie.

Dounia Wone, Chief Impact Officer von Vestiaire Collective (Foto: Pierre Mouton)
Dounia Wone, Chief Impact Officer von Vestiaire Collective (Foto: Pierre Mouton)

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