Muss ich immer wieder die Vergangenheit auftragen?
![Aber jeder Look, egal wie toll er mal war, altert. Und egal, wie gut er einem steht, irgendwann lässt er einen, nun ja, ein bisschen oll wirken. (Foto: Adriano Russo)](https://www.madame.de/assets/volumes/images/edits/artikel/MADAME-Ausgabe-10.2024/Muss-ich-das/_high/195017/Groß-20240119_Madame_09_1463_C.jpg)
Dass uns die Mode jede Saison neue Retro-Looks präsentiert, ist paradox. Aber daran, sagt unsere Autorin, sind wir selbst schuld
Diese Frage müsste man den Designern stellen, die heute Kreativdirektoren der großen Mode-Labels sind. Der breitschultrige Blazer aus den 80ern ist zum Beispiel schon wieder zurück, genauso wie Seventies-Boho-Chic. Aber die Kritik an der Ideenlosigkeit der Mode ist nichts Neues. Statt eine Vision der Zukunft zu entwerfen, statt mit KI, 3D-Drucker oder neuen Materialien den Design-Prozess an sich (und damit auch unsere Looks) zu verändern, bleiben die meisten Labels lieber auf dem Nostalgie-Karussell sitzen.
Mal sind es Schlag-, mal Pumphosen, mal werden die A-Linien der Sixties neu aufgelegt.
Aber warum ist das so?
Wenn Mode der ultimative Zeitgeistmesser, der Spiegel der Gesellschaft ist, dann ist meine Vermutung gar nicht so gewagt: dass wir selbst daran schuld sind. Wenn ich Storys auf Instagram scrolle, bin ich oft schockiert, vor allem von Frauen zwischen 40 und 50. Und immer öfter kommt mir ein böser Gedanke.
„Mein Gott, sehen die alt aus.“ Und das meine ich ausschließlich modisch. Die eine trägt nur ausgestellte Hosen zu runden Block-Heels, weil sie die schon mit 30 in einem der früheren 70er-Revivals für sich entdeckt hat. Die andere setzt immer noch auf blonde Beach Waves und bunten Ibiza-Kaftan, ganz so, als hätte es seit 2004 keine Jahreswechsel mehr gegeben. Und Leute, die zu den Zeiten von Phoebe Philo bei Celine erwachsen wurden, können von deren Oversize-Eleganz einfach nicht lassen.
Jeder Look altert...
Aber jeder Look, egal wie toll er mal war, altert. Und egal, wie gut er einem steht, irgendwann lässt er einen, nun ja, ein bisschen oll wirken. Das heißt nicht, dass
man den eigenen Stil regelmäßig über Bord werfen sollte, es heißt nur dies: Wer mehr modische Aufregung möchte, muss sich erst mal an die eigene Nase fassen. Bin ich eigentlich noch am Zeitgeist interessiert, oder bin ich vor ein paar Jahren einfach stehengeblieben? Modehäuser mit smarter Kundendatenauswertung machen nämlich nichts anderes, als uns zu liefern, was wir wollen.
Dennoch ist es nicht so, dass das 90er-Jahre-Revival der letzten Jahre genauso aussieht wie das Original. Das Neue findet man in den kleinsten Details, in Schnitten, Silhouetten, Schuhkombinationen. Mesh Flats zu weiten Hosen sind längst die neuen Turnschuhe. Der schmale, lange schwarze Mantel ist der neue Everyday-Coat.
Schuhe und Taschen werden wieder farblich abgestimmt, so wie, ja, in den Fünfzigern. Kann sein, dass das in sechs Monaten schon wieder oll ist. Mode wird nie langweilig. Sie ist nur nichts für Aussteiger.
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![Julia Werner hat zwar schon vor langer Zeit zu ihrem eigenen Stil gefunden – das hält unsere Autorin aber nicht von modischen Experimenten ab. Letzter lustiger Fehlkauf: rote Fisherman-Sandalen aus Gummi. Sah aber irgendwie zeitgemäß aus.](https://www.madame.de/assets/volumes/images/edits/autorinnen/_high/Julia-Werner-Kopie.jpg)