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Ein Essay von Eva Meschede

Ich wollte doch nur Tomaten (Illustration: Hassan Kerrouch)

Für schöne Dinge geben wir gerne auch etwas mehr aus, aber bei Gemüse & Co. geht es jetzt langsam ans Eingemachte

Eine gefühlte Wahrheit ist zwar nicht wahr, aber wir haben uns wahrlich darin eingerichtet. So empfinden wir etwa 30 Minuten Verspätung mit der Bahn wie zwei ganze Stunden, denselben Delay mit dem Flieger wie wenige Minuten. Obwohl Komfort und Verpflegung in beiden Verkehrsmitteln annähernd gleich sind.

Unangenehm wird es, wenn plötzlich die per­sönliche Gefühlsblase platzt. So wie bei mir in diesem Frühjahr im Supermarkt. Ich hatte wenige Dinge auf dem Kassenband, überschlagsweise weniger als acht Euro zu bezahlen, einen Zehn-Euro-Schein hielt ich parat. Da sagte der Kassierer: 12,90 Euro. „Das kann ja wohl nicht stimmen!“, wehrte ich mich selbstbewusst. „Aber Sie haben doch Blumenkohl gekauft“, mit vorwurfsvoller Geste wies er auf das gute Stück: 5,90 Euro. Als hätte ich verschwenderisch einen riesen Braten vom Wagyu-Rind erworben.

Ich stand unter Schock: Wow, ist das teuer ge­worden! Blumenkohl! Ich mag ihn sehr, hatte ihn aber als Alltagsgericht eingestuft. Als Gemüse, das es nur mit viel Zuwendung auf einen Fine-Dining-Teller schafft, wo es etwa neben Beluga und Steinbutt cremige Bodenständigkeit und Regionalität ­signalisieren darf. In meiner Welt kostete er unter zwei, maximal drei Euro, doch diese war wohl bereits mit Corona untergegangen, wurde mir nun schmerzhaft bewusst. Dann war noch jede Menge Schlimmes hinzugekommen, wie Krieg, Inflation, Erntehelfermangel, Wetter und der ganz normale letzte Winter, an dessen Ende nicht nur der Kohl, sondern auch Paprika und Tomaten historische Spitzenpreise erreichten. Die Drei-Euro-Gurke schaffte es in die Schlagzeilen.

Wow, ist das teuer geworden, diesen Schock erleiden derzeit viele Menschen immer wieder, auch an Tankstellen oder Käsetheken. Die ­sogenannte gefühlte Inflation lag im vergangenen Herbst bei gut 30 Prozent, im Sommer immer noch bei 18 (da war der Blumenkohl wieder billiger). Der „Index der wahrgenommenen Inflation“ verzeichnet in jüngster Zeit Höhenflüge. Ökonomen kritisieren das als irrational, Konsumenten sähen Preiserhöhungen deutlicher als -senkungen. Und ich hätte ja auch ­etwas Günstigeres als ausgerechnet Kohl kaufen können, so der Rat. Doch Apfeltaler mit Kräuterquark schmecken mir nicht. Einen verbilligten Computer brauche ich nicht und auch keine preisreduzierte Dienstleistung, welcher Art sie auch immer sei. Aber die Manolos scheinen mir, verglichen mit dem ganzen teuren Gemüse, auf einmal günstig. Der rationale Homo oeconomicus weiß: jetzt kaufen, bevor die Preise steigen.

Autorin Eva Meschede hat beim Kauf von Gemüse früher keine Erbsen gezählt. Als passionierte Schnäppchenjägerin hat sie aber nun ein Outlet für gesunde Nahrung ausfindig gemacht. Es gibt dort auch Bio.