Wartungsdruck, der (m.)

Ein Essay von Eva Meschede

Die Wartung kann warten (Illustration: Hassan Kerrouch)

Es gibt Pflichten, die man immer weiter aufschiebt. Was könnte dagegen helfen?

Heute Morgen hatte ich wieder einmal alle Lichter an – nur rote und gelbe, kein einziges grünes. Die Espressomaschine blinkte in Sekundentakt, sie will entkalkt werden. Die Spülmaschine fordert: Salz und Klarspüler. Über das Display des Druckers läuft der Hilferuf, dass ihm Toner fehlt. Der Rechner wünscht ein System-Update, und mein Staubsaugroboter hat mir als künstliche Intelligenzbestie sogar eine Nachricht aufs Handy geschickt: Seine Kontakte müssten gereinigt werden. Still, wie beleidigt, steht mein Fahrrad im Hinterhof, ich vermeide es, damit zu fahren: Seine Reifen sind ziemlich platt.

Und wieder einmal stehe ich unter massivem Wartungsdruck. Warum nur wollen alle Maschinen in meinem Park immer gleichzeitig Zuwendung? Na gut, ehrlich gesagt wird ein unbeschädigter Radlreifen selten von heute auf morgen so platt, dass man (fast) nicht mehr damit fahren kann. Und die Spülmaschine hat ihre Forderung schon in der vergangenen Woche angemeldet. Das Paket mit Toner steht ungeöffnet neben dem Schreibtisch … Es liegt also an mir, nicht an den Maschinen. Die melden sich rechtzeitig, die Gleichzeitigkeit ­entsteht durch mich. Morgen heißt das Motto. Und damit steigt der Wartungsdruck. Wie lange kann eigentlich so eine Spülmaschine ohne Salz und ­Klarspüler überleben? Was, wenn sie oder noch schlimmer die Espressomaschine ihren Geist auf­gäben? Es gibt viele gute Gründe, sofort tätig zu ­werden, aber offenbar genauso viele, erst einmal ­andere Dinge zu erledigen. Dabei bin ich jenseits ­dieser Wartungsaufgaben gar nicht so. Selten reiße ich eine Deadline, alle Rechnungen werden pünktlich bezahlt, und sogar meine Steuererklärung ist ­immer in time.

Am Abend habe ich immerhin die neue Tonerkassette in den Drucker eingelegt, er streikt ja, wenn er nicht bekommt, was er will. Und um welchen meiner vielen Pflegebedürftigen kümmere ich mich jetzt als Nächstes? Am besten erst mal um mich selbst, diese Aufschieberitis geht so nicht weiter. Ich googele Prokrastinieren und was dagegen hilft. Psychologen empfehlen, genaue To-do-Listen zu schreiben. Also nicht: Geschenk für Mutter kaufen. Sondern: Blumen für Mutter bei Florians Blumenpavillon kaufen.

Ich schreibe: Neben die Spülmaschine knien, mit dem halben Oberkörper reinkriechen, den Schraub­verschluss für den Salzbehälter im hinteren Drittel des Geräts am Boden erreichen, der wie immer klemmt. Filter ins endlich offene Loch stöpseln, Salz aus unhandlichem Pappkarton einfüllen, ohne die Hälfte danebenzuschütten. Verschluss mit Mühen und Verrenkungen wieder fest draufschrauben. Mit Klarspüler aus der Spritzflasche in die winzige Öffnung in der Türe zielen … Mich befällt eine bleierne Müdigkeit, ich muss ins Bett. Morgen habe ich ja die tolle To-do-Liste.

Autorin Eva Meschede muss zugeben, dass ihre Steuer­erklärung nur ­deshalb pünktlich fertig ist, weil sie eine Steuerberaterin hat. Leider gibt es keine Wartungs­beraterin für ihren Maschinenpark.