Schnäppchen-Euphorie, die (f.)

Ein Essay von Eva Meschede

Die %-Überwältigung (Illustration: Hassan Kerrouch)

Schlaues Kaufen ist toll. Doch um im ungetrübten Shopping-Glück schwelgen zu können, hier drei Regeln

Man soll ja als selbstbewusste Frau Komplimente annehmen können. Am besten mit einem strahlenden Lächeln und einem schlichten „Danke sehr“. Auf keinen Fall darf man, so die altbekannte Empfehlung, ein Lob und damit sich selbst klein reden. Wenn etwa die Kollegin sagt: „Schönes Kleid!“, antwortet man demnach niemals: „War richtig günstig“. Das finde ich jedes Mal ziemlich schade. Denn ich bin weniger stolz auf das schöne Kleid, warum auch, ich habe es nicht selbst genäht. Fast immer aber habe ich es schlau gekauft. Das Kleid im Designer-Outlet, den Mantel im Online-Sale, und die Tasche aus einem Vintage-Laden hat ­sogar an Wert zugelegt in den letzten zwei Jahren, sie ist eine krisensichere Investition und macht mich glücklich, wenn ich sie ausführe.

Eine leidenschaftliche Schnäppchenjägerin war ich immer schon, eine ziemlich gute bin ich im Laufe meiner Lehrjahre geworden. Denn für das ungetrübte Sale-Glück befolge ich heute drei wichtige Regeln. Erstens: Sollte im Online-Kauf die Summe hinter den Zauberworten „Sie sparen:“ sehr hoch sein, dann ist das zwar ein Grund zur Freude, aber kein Gold wert. Das gesparte Geld wird nämlich mitnichten gutgeschrieben, schon gar nicht meinem Konto. Wenn also der virtuelle Sparbetrag üppig ist, dann ist der zu zahlende auch nicht niedrig, und der beeinflusst meinen Kontostand real, zumal die Überziehungszinsen derzeit steigen.

Zweitens: Ist die begehrte Designerhose nur noch eine Nummer kleiner zu haben, dann ist es gut ­möglich, dass ich den Reißverschluss trotzdem zu ­bekomme. Aber ich ziehe das gute Stück regelmäßig morgens aus dem Kleiderschrank und denke: „Och nee, die unbequeme Hose halte ich heute nicht aus.“ Immerhin kann in diesem Fall die Tochter an der Schnäppchen-Euphorie teilhaben – und die Bemerkung „schickes Teil“ und tägliches Tragen können eine Mutter auch froh stimmen. Bei der Eine-Nummer-größer-Variante bleibt oft nur Ebay oder der Flohmarkt, eine rutschende Hose ist grundsätzlich ein Verlustgeschäft. Das gleiche gilt für die falschen Farben. Ließ mich Lila schon immer blass wirken, dann liegt es nicht an der schummrigen Umkleidekabinen-Beleuchtung des Outlets, dass die süße, um sagenhafte 75 Prozent reduzierte Schluppen-Bluse „ein bisschen“ seltsam aussieht. Sie steht mir einfach nicht!

Die dritte Regel bestätigt die Ausnahme. Wenn der ins Auge gefasste, noch nicht herabgesetzte, fröhliche Herbstrock ein sehr begehrenswertes Must-have ist, muss ich als Schnäppchenjägerin auf der Lauer damit rechnen, dass er spätestens am Morgen des allerersten Sale-Tages ausverkauft ist. Dann habe ich zwar Geld gespart, aber auch keinen tollen Rock. Dieses Risiko muss ich abwägen und manchmal entscheiden: sofort zuschlagen, diesmal ganz ohne Preisnachlass.

Autorin Eva Meschede lässt sich auch bei Küchengeräten gern von Rabatten überzeugen. Die günstig erworbene Eismaschine wird regelmäßig abgestaubt, während sie auf ihren ersten Einsatz wartet.