Muss ich mich über jeden Blumenstrauß freuen?

Ein Essay von Julia Werner

Freut sich Audrey Hepburn ehrlich über die Blumen? (Foto: Getty Images)

Hässliche Blumen? Das liegt oft an der psychologischen Interpretation. Dagegen hilft mehr Gelassenheit, findet unsere Autorin. Aber auch praktisches Geschick…

Einfach lächeln

Kennen wir alle: Strahlen vortäuschen und mit übertriebenem Eifer die passende Vase suchen, auch wenn das Ding ein Ungetüm aus Strelitzien und Bindegrün ist. Alles andere ist, überflüssig zu sagen, unhöflich. Die Frage zielt auf etwas anderes ab, nämlich, ob man Blumen schön finden muss, nur weil sie Blumen sind. Wer sich in das Thema vertiefen möchte, dem empfehle ich die Lektüre von Immanuel Kants „Kritik der Urteilskraft“; die Blume kommt darin als freie Naturschönheit vor, die wir nur deshalb ästhetisch beurteilen, weil uns ihr Naturzweck, also die Befruchtung, piepegal ist. Aber das ist wahrscheinlich etwas fern vom Alltag. Für uns ist die Blume, Kant hin oder her, eine Heilige, die man unbedingt schön finden und bewundern muss. Auch, weil Schnittblumen nicht gerade zum Nachhaltigsten gehören.

Die Qual der Wahl

Man hat es nicht immer leicht, verstellen einem Schleierkraut, Monsterablätter und sonstiges Tankstellenbindegrün oft den Blick (nur noch Eukalyptus und Olive bitte!). Und wenn jemand Lilien bringt, muss ich Brechreiz unterdrücken, weil ich sie nun mal nicht riechen kann. Abgesehen von den persönlichen Vorlieben geht es bei wahrer Nichtfreude über ein Blumengeschenk aber um etwas anderes. Nämlich den Schenker anhand seiner Auswahl psychologisch zu analysieren, die Absicht, platonisch oder amourös, ist dabei egal. Viel Bindegrün und dazwischen ein paar traurige rote Rosen, noch nicht mal Freiland? Geizhals! Ein üppiger Armvoll Pfingstrosen? Lebensliebhaber! Dicht gedrängte Rosen? Hier haben wir jemanden, der sich nicht viel Gedanken über den Empfänger gemacht hat – bisschen basic, aber akzeptabel.

Blumen-Snob?

Dabei wissen wir natürlich, dass gute Blumengeschenke nichts mit dem Budget zu tun haben. Selbst Nelken können toll sein, wenn sie gut gebunden sind. Vielleicht ist der manchmal ausbrechende Blumenhass nichts anderes als die Empörung darüber, dass der andere in einem selbst doch tatsächlich eine anspruchslose Gerbera oder eine robuste Sonnenblume sieht. Ich denke, das ist eine Überreaktion. Die meisten Leute machen sich beim Blumenkauf nicht allzu viele Gedanken. Also bitte weiterhin: Freude vortäuschen, das hässliche Bukett in seine Einzelblumen zerlegen und in Minivasen über die Wohnung verteilen, sobald der Besuch weg ist. Zum Schluss sei noch gesagt, dass man jemanden mit Wiesenblumen am besten gar nicht mehr gehen lassen sollte, weil naturliebend, kreativ, geschmackssicher, kurz: Endlich ein Mensch auf Augenhöhe, lieber Blumen-Snob.

Autorin Julia Werner kann auf vieles verzichten, aber nicht auf Blumen. Wahrscheinlich lebt die leidenschaft­liche Selbstpflückerin deshalb in Athen: Dort blüht es von Februar bis Mai, daher kann sie sich manchmal ein Kleid mit Flower-Print on top leisten.