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Muss ich immer Trinkgeld geben?

Ein Artikel von Julia Werner
6 Mai 2025

In Italien gab es früher „coperto“ (Tip inklusive), heute ist Trinkgeld erwünscht. (Foto: Getty Images)
In Italien gab es früher „coperto“ (Tip inklusive), heute ist Trinkgeld erwünscht. (Foto: Getty Images)

Ob im Taxi, Hotel, Restaurant oder im Coffeeshop – alle erwarten den Tip. Und, ja, bitte großzügig! Nur in einem Fall ist der Igel in der Tasche erlaubt, findet unsere Autorin

Man könnte entgegnen, dass ein großzügiger Mensch diese Frage nicht stellen würde. Ich tippe immer ein bisschen zu viel, erstens weil ich schlecht in Mathe bin, zweitens, weil ich gar kein Geld habe. Mit der großzügigen Geste fühle ich mich sofort reicher. Eigentlich also ist Trinkgeld eine Win-win-Erfindung. Es macht, dass man sich selbst als besserer Mensch fühlt, und es stockt nicht nur den Verdienst des Service-Personals auf, sondern ist auch eine Form der Wertschätzung, und davon kann man anderen nicht genug entgegenbringen.

Trotzdem kann ich die Frage nachvollziehen, denn oft hat man nicht mehr das Gefühl, dass diese Geste überhaupt noch gewürdigt wird. Vielmehr wird Trinkgeld selbstverständlich erwartet. Wahrscheinlich kommt die Frage also aus dem Gefühl heraus, vom Rest der Welt nicht mehr als Mensch, sondern nur noch als wandelnder Geldautomat wahrgenommen zu werden. Vor allem auf Reisen. Da wären ja auch noch all die Portiers, Zimmermädchen und Fahrer, die eine Flappe zögen, wenn nicht ... Selbst in Coffeeshops, wo man sich den Kaffee selbst holen muss, steht eine Box mit der Aufschrift Trinkgeld bereit. Es wird also quasi eine Servicegebühr erwartet, obwohl man gar keinen bekommen hat. Da kann man schon mal geizig werden.

In so extremen Trinkgeldsphären wie in den USA befinden wir uns in Europa noch nicht, aber die Tendenz ist die gleiche. Es gab mal eine Zeit, in der das mit dem Tip zumindest in den mediterranen Ländern einfach war. In Italien gab es „coperto“, eine Gebühr pro Gedeck für den Service, weswegen Trinkgeld eigentlich kein Thema war. Eigentlich. In Wahrheit wechselten am Ende eines Abends die Geldscheine schon immer per Macho-Handschlag den Besitzer, auch um sich beim nächsten Mal die Warteliste zu ersparen. In Griechenland wurde Trinkgeld jahrelang gar nicht erwartet (ich tippe auf Stolz), mittlerweile sind in Touristenregionen zehn Prozent Aufschlag normal. Auf einsamen Inseln und auf dem Land sieht das aber anders aus. Zu viel Trinkgeld kann dort in der falschen Situation schnell großspurig wirken. Ein feinsinniger Mensch hat dafür aber Antennen. Die Antwort lautet also: ja, immer, bis auf die Self-Service-Theke. Streng formuliert: Wer in den Urlaub fahren kann, der kann auch Tip geben, und ja, der Urlauber ist ein Geldautomat. Wer das nicht persönlich nimmt, hat ein schöneres Leben! Die Alternative wäre, nach Japan zu fahren, wo Trinkgeld eine Beleidigung ist.

Julia Werner gibt lieber zu viel Trinkgeld als zu wenig. Das liegt vor allem an ihrer Angst, als geizig wahr- genommen zu werden. Nichts findet sie weniger sexy als das minutenlange Ausrechnen des richtigen Betrags. (Foto: Kathrin Bierling)
Julia Werner gibt lieber zu viel Trinkgeld als zu wenig. Das liegt vor allem an ihrer Angst, als geizig wahr- genommen zu werden. Nichts findet sie weniger sexy als das minutenlange Ausrechnen des richtigen Betrags. (Foto: Kathrin Bierling)

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