Beschenkten-Seligkeit, die (f.)

Ein Essay von Bettina Wündrich

Schleife drum (Illustration: Hassan Kerrouch)

Ein Überwältigtsein, das wir als Kind empfanden und als Erwachsene selten erleben

Ich muss sechs oder sieben geworden sein, als ich eines der schönsten Geschenke meines Lebens bekam. Ich erinnere mich genau an das intensive Gefühl, das eine Geburtstagsüber­raschung meiner Eltern in mir auslöste: Ich fühlte totale Hingabe an eine Seligkeit, ein Aufgehen im Überwältigtsein. Im Schein der Geburtstagskerzen leuchtete eine doppelstöckige Puppenstube, gebastelt aus einer Weinkiste, komplett eingerichtet mit Minia­turmöbeln, die Stubenwände tapeziert und die Fenster mit selbst genähten Vorhängen. Bis dahin hatte ich nicht mal geahnt, dass meine Mutter basteln konnte. Ich war überwältigt von dieser Liebe, die sich da ausdrückte und von der Einzigartigkeit des Objekts.

Eine solche „Beschenkten-Seligkeit“ widerfährt einem als Erwachsener nicht mehr so leicht. Das liegt in der Natur der Sache: Der Zauber hat etwas mit der Neuartigkeit der Dinge und des Gefühls zu tun. Als Erwachsener ist das anders. Was kann uns noch überraschen? Weil wir den Schenkenden aber nicht kränken möchten, quittieren wir die gut gemeinte Geste mit einem großherzigen Lächeln. In einer Studie der britischen University of Hertford­shire gaben 79 Prozent der Männer und 89 Prozent der Frauen zu, bei einem Geschenk Gefallen geheuchelt zu haben. Auch (oder gerade) uns sehr nahestehende Menschen belügen wir. Eine Konsequenz dieses Täuschungsmanövers ist leider, dass sich die Beschenkten-Seligkeit immer weniger einstellen will – wie soll der Mann, der uns regelmäßig mit dem exquisiten Duft im mundgeblasenen Flakon überrascht, denn wissen, dass wir ihn in Wahrheit gar nicht riechen können?

Ich rate davon ab, dem Schenkenden den Gegenstand wieder in die Hand zu drücken, wie ich, die leidenschaftliche Kaffeetrinkerin, es mal mit dem handbemalten japanischen Teeservice meines (inzwischen Ex-)Freunds machte. Eine solche Grausamkeit kann nur zu Unglückseligkeit führen, auf beiden Seiten. Jemanden, der schenkt, sollte man nicht brüskieren, ein Geschenk ist eine freiwillige Gabe. Aber wie befreien wir uns aus diesem Dilemma? Am besten mit einem Perspektivwechsel: Als Schenkende sollten wir davon abkommen, unbedingt originell sein zu wollen. Jemanden glücklich zu machen, ist nämlich viel einfacher, als wir meinen. Die Zeitschrift „Psychologie Heute“ kommt auf der Basis von Studien auf eine schlichte Formel: Einfachheit schlägt Preis, Wunscherfüllung eine Überraschung, Nützlichkeit die Exklusivität. Gemeinsames Erleben ist am beliebtesten. Vor einigen Jahren hatte ich meine Redaktion gebeten, mir „bloß nichts Materielles!“ zum Geburtstag zu schenken. Ich bekam die schönsten Geschenke: Ein Kollege, der abends in einer Bar arbeitete, lehrte mich, den perfekten Mai Tai zu mixen. Eine Kollegin brachte mit ihren IT-Kenntnissen meinen Computer auf Vordermann. Eine andere pflanzte für mich ihre selbst gezogenen Gemüse­setzlinge auf meinem Balkon. Von dieser Beschenkten-Seligkeit konnte ich noch monatelang zehren.