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Karl Lagerfeld - so nah wie selten in der neuen Biografie

Ein Interview von Philomena Seelos
25 Feb. 2025

Er gilt als einer der ikonischsten Designer unserer Zeit - Karl Lagerfeld. (Foto: Getty Images)
Er gilt als einer der ikonischsten Designer unserer Zeit - Karl Lagerfeld. (Foto: Getty Images)

Ein neues Buch gibt tiefe Einblicke in das Leben und Schaffen der Mode-Ikone Karl Lagerfeld. MADAME sprach mit der Autorin Marie Ottavi.

Er ist einer der angesehensten und ikonischsten Designer der Geschichte - Marie Ottavi gibt mit dieser Biografie einen unvergleichlichen Einblick in die Persönlichkeit und die weitreichende Kreativität von Karl Lagerfeld. Wir haben mit ihr über das Werk gesprochen, das eine unschätzbare Quelle für alle Modeliebhaber und insbesondere für die Bewunderer von Lagerfelds unvergleichlichem Vermächtnis darstellt.

Karl Lagerfeld, ca. 1956 (Foto: Collection Carlos Munoz Yague /  Karl Lagerfeld: A Fashion History by Marie Ottavi, Rizzoli, 2025)
Karl Lagerfeld, ca. 1956 (Foto: Collection Carlos Munoz Yague / Karl Lagerfeld: A Fashion History by Marie Ottavi, Rizzoli, 2025)

„Um die Geschichte der Mode zu verstehen, muss man die Menschen verstehen, die Mode gemacht haben.“

Marie Ottavi

Frau Ottavi, was hat Sie dazu inspiriert, über Karl Lagerfeld zu schreiben?

Ich habe ein Buch über Jacques de Bascher geschrieben, Lagerfelds große Liebe. Lagerfeld hatte mir für das Buch ausführlich von ihm erzählt und diese seltenen Vertraulichkeiten bilden die Grundlage für mein Buch über Lagerfeld selbst. Ich wollte aber nicht nur über Lagerfeld schreiben.

Sondern? 

Durch das Leben von Karl Lagerfeld wollte ich die Geschichte eines Jahrhunderts der Mode erzählen – beginnend in der Nachkriegszeit, als junge Menschen wie Lagerfeld und Yves Saint Laurent mit Träumen von Haute Couture nach Paris kamen, nachdem sie weit entfernt von der Stadt aufgewachsen waren. Lagerfeld verkörperte diese Entwicklung in der Mode bis in das 21. Jahrhundert, mit Hyper-Kommunikation, übersteigerter Inszenierung und Rekordgewinnen für eine Marke von der Größe Chanels. Seine Geschichte zu erzählen bedeutet, die Geschichte einer ganzen Welt und der Entwicklung einer gigantischen Industrie zu erzählen. Ich wollte ebenso die Exzesse analysieren, das Mysterium und die ständige Neuerfindung durchdringen, um herauszufinden, was er hinter so vielen Worten verbarg. Denn er tat alles, um sich selbst nicht preiszugeben.

„Er ließ sich von Frauen leiten, was in dieser Branche selten ist.“

Marie Ottavi

Welcher Aspekt seines Lebens oder seiner Karriere hat Sie während Ihrer Recherche am meisten beeindruckt?

Mich hat seine Entschlossenheit beeindruckt, die Karriereleiter in der Modewelt zu erklimmen. Auch sein Mut, Risiken einzugehen – zum Beispiel, als er sich für Prêt-à-porter entschied, lange bevor viele andere es taten. Er war ein Mann voller Widersprüche, der sein Leben lang seinen eigenen Weg ging und seine öffentliche Persona stets seinem Privatleben entgegensetzte. Er wollte, dass man ihn für hart hielt, dabei hatte er eine große Menschlichkeit im Umgang mit seinen Mitarbeitern. Er war scharfzüngig und spöttisch und wird heute zu Recht für seine diskriminierenden Kommentare zu Frauenkörpern kritisiert. Doch in der Realität arbeitete er regelmäßig mit Frauen wie Gaby Aghion bei Chloé und den Fendi-Schwestern zusammen. Er ließ sich von Frauen leiten, was in dieser Branche selten ist.

Nach Ihren Gesprächen mit Lagerfeld – welche Eindrücke haben sich bestätigt, und was hat Sie am meisten überrascht?

Ich habe Karl Lagerfeld zweimal für das Buch getroffen. Unser erstes Interview war eines der eindrucksvollsten meiner Karriere, weil er in diesem Moment wirklich etwas von sich preisgegeben hat. Das ist heute eine Seltenheit und wird immer seltener. Es gibt nicht viele Prominente, die bereit sind, sich wirklich zu öffnen. Während des Gesprächs habe ich das gar nicht realisiert, weil ich so konzentriert war. Erst am nächsten Tag sagte mir Caroline Lebar, die jahrzehntelang seine engste Mitarbeiterin war, dass sie in 30 Jahren noch nie ein so intensives Interview mit ihm erlebt habe. Erst da verstand ich, wie außergewöhnlich das war. Ich habe einen sehr klarsichtigen Mann entdeckt – ein brillanter Kopf, dessen Intellekt dazu diente, seine Emotionen zu verbergen. Er hatte viele Fehler, und ich teilte nicht seine politischen Ansichten, aber er stand zu allem, was er sagte – und das ist selten.

„Lagerfeld vertraute mir und öffnete sich sehr stark mir gegenüber. Ich habe das in dem Moment gar nicht realisiert, weil ich so konzentriert war.“

Marie Ottavi

Karl Lagerfeld, Yves Mathieu-Saint-Laurent und Colette Bracchi (ganz rechts), im Bild mit ihren Modellen bei einem Modedesign-Wettbewerb, 1954 (Foto: Keystone France/Gamma Rapho /  Karl Lagerfeld: A Fashion History by Marie Ottavi, Rizzoli, 2025)
Karl Lagerfeld, Yves Mathieu-Saint-Laurent und Colette Bracchi (ganz rechts), im Bild mit ihren Modellen bei einem Modedesign-Wettbewerb, 1954 (Foto: Keystone France/Gamma Rapho / Karl Lagerfeld: A Fashion History by Marie Ottavi, Rizzoli, 2025)

Er pflegte eine sorgfältig konstruierte öffentliche Persona. Wie haben Sie es geschafft, hinter die Kulissen zu blicken?

Ich habe viel gelesen, alle seine Interviews analysiert und über hundert eigene Interviews mit Weggefährten geführt. Ich habe ihn aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, seine Persönlichkeit dekonstruiert, um den Menschen dahinter besser beschreiben zu können. Trotz dieser enormen Arbeit wird ein gewisses Lagerfeld-Mysterium bleiben.

Was ist Ihre Lieblingsgeschichte über Karl Lagerfeld?

Es gibt so viele faszinierende Episoden. Besonders bemerkenswert fand ich seine Entscheidung, sich schon in jungen Jahren zusammen mit seiner Cousine „jünger zu machen“ – eine Art Jugendpakt. Diese Cousine war eine der wenigen Personen in seiner Familie, die er wirklich liebte und mit der er eine enge Verbindung hatte. Sie ließ sogar ihr falsches Geburtsdatum auf ihrem Grabstein eingravieren. Karl fälschte auch seinen Pass – eine Kopie davon ist im Buch zu sehen. Er war fest entschlossen, sich selbst neu zu erfinden. Auch seine Liebe zu Jacques de Bascher hat mich sehr beeindruckt.

Was zeichnete diese Liebe aus?

Ihre Bedingungslosigkeit. Lagerfeld tat alles für diesen Mann. Er verzieh ihm alles, begleitete ihn durch seine Krankheit. Und es dauerte fast ein Jahrzehnt, bis er sich von diesem Verlust erholte. Während dieser Jahre der Depression stand er kurz davor, bei Chanel entlassen zu werden. Es waren die Wertheimer-Brüder, die zu ihm hielten. Danach kam er stärker als je zuvor zurück.

Karl Lagerfeld, 1983 (Foto: Guy Marineau / Karl Lagerfeld: A Fashion History by Marie Ottavi, Rizzoli, 2025)

Was können wir Ihrer Meinung nach von Lagerfeld lernen? Was hoffen Sie, dass die Leser aus Ihrem Buch mitnehmen?

Um die Geschichte der Mode zu verstehen, muss man die Menschen verstehen, die Mode gemacht haben. Lagerfeld mag heute aus vielen Perspektiven kritisch betrachtet werden, aber seine Langlebigkeit in der Branche ist faszinierend – die Art, wie er sich über Jahrzehnte an verschiedene Modehäuser und Epochen anpasste. Er war nie ein Tyrann, sein Lebensstil war tadellos, und er gab sich seiner Arbeit vollkommen hin – bis zu dem Punkt, an dem er selbst zur Marke wurde. In vielerlei Hinsicht war er eine entschlossene „Maschine“, ein Mann, der sein Leben träumte und eine unstillbare Wissbegierde hatte. Vielleicht ist genau das das Geheimnis seiner außergewöhnlichen Karriere.

„Karl Lagerfeld: A Fashion History“ (Rizzoli, New York, englische Sprache) erscheint am 25. Februar 2025.

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