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Longevity: Was lässt uns lange und gesund leben?

Ein Interview von Nicole Lauscher
17 Juli 2024

In aller Munde und von unserem Experten genau erklärt: Was hat es mit Longevity auf sich? (Foto: Zeb Daemen)
In aller Munde und von unserem Experten genau erklärt: Was hat es mit Longevity auf sich? (Foto: Zeb Daemen)

Longevity – auf deutsch Langlebigkeit – nennt sich ein Mega-Trend aus den USA, der auch bei uns immer bekannter wird. Welche Stellschrauben entscheidend sind, um länger jung zu bleiben, erklärt der Präventionsmediziner Dr. Johannes Zwick

Lange leben und dabei fit und gesund bleiben – das Trendthema „Longevity“ oder auch Langlebigkeit gewinnt in unserer Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Weltweit erforschen WissenschaftlerInnen, wie sich Gesundheit und Jugendlichkeit biologisch erhalten lassen, indem unsere Zellen langsamer altern oder sich womöglich sogar verjüngen. Dr. med. Johannes Zwick, Präventionsmediziner und Aufsichtsratsvorsitzender der Johannesbad Gruppe sowie Gründer von Chōju - Home of Epigenetic, sagt im Interview, warum Fasten die Zellen verjüngt, was sich hinter SIRT-Food verbirgt und warum soziale Kontakte ein echtes Anti-Aging-Mittel sind.

MAISON MADAME: Was bedeutet für Sie Longevity?

Dr. Johannes Zwick: Es geht nicht nur darum, die Lebensspanne zu verlängern, sondern damit auch die Zeit, die wir gesund erleben. „Langlebigkeit ist nur erstrebenswert, wenn sich das Jungsein verlängert, nicht aber das alt sein hinauszieht“, so lautet mein Lieblingszitat des französischen Chirurgen und Nobelpreisträgers für Medizin Alexis Carrel. Wir sehen, dass die Menschen heute im Schnitt in den letzten zehn Jahren ihres Lebens chronische Erkrankungen entwickeln, zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, rheumatische Erkrankungen oder Demenz. Ziel muss es sein, die Krankheitsspanne zu verkürzen und gleichzeitig das Leben zu verlängern – wir können bis zu 20 Jahre mehr Lebensqualität gewinnen.

Es geht nicht nur darum, die Lebensspanne zu verlängern, sondern damit auch die Zeit,  die wir gesund erleben. (Foto: Dr. Johannes Zwick)
Es geht nicht nur darum, die Lebensspanne zu verlängern, sondern damit auch die Zeit, die wir gesund erleben. (Foto: Dr. Johannes Zwick)

MAISON MADAME: Wie kann das funktionieren?

Ein gesunder Lebensstil ist die eine Sache, die wir beeinflussen können: Ernährung, Bewegung, Entspannung, nicht rauchen und wenig Alkohol. Eine zweite, sehr wichtige Sache ist die Epigenetik – damit ist der Einfluss der Umwelt auf die Gene gemeint. Die Epigenetik bestimmt den Aktivitätszustand von Genen, sie schaltet Gene ein oder aus. Sie kann helfen, unsere Zellen zu verjüngen. 

MAISON MADAME: Können Sie das genauer erklären?

Unser Körper besitzt etwa 100 Billionen Zellen. Und jeden Morgen, wenn wir aufstehen, hat er zwischen 50 und 70 Milliarden neue Zellen gebildet – fast zehnmal so viele wie die gesamte Erdbevölkerung. Hier können wir eingreifen, damit die neu gebildeten Zellen gesünder sind als ihre Vorgängerzellen. Wir können uns sozusagen verjüngen.

Einen gesunden Lebensstil können wir selbst beeinflussen. (Foto: Zeb Daemen)
Einen gesunden Lebensstil können wir selbst beeinflussen. (Foto: Zeb Daemen)

MAISON MADAME: Wie genau sollen sich die Zellen verjüngen lassen?

Für mich ist es Hightech-Medizin. Es geht darum, mit bestimmten Enzymen unseren Zellen mehr Energie und Kraft zuzuführen und ihre Revitalisierung zu unterstützen. Als besonders wertvoll gelten etwa die Stoffe NR (Nicotinamid Ribosid) und Spermidin. NR gehört zur Klasse der B3-Vitamine und wirkt positiv auf die Zellkraftwerke des Körpers, die Mitochondrien. Spermidin ist ein Stoff, der vom Körper selbst gebildet wird, aber auch in Lebensmitteln wie Weizenkeimlingen, Pilzen und gereiftem Käse steckt. Er unterstützt die Autophagie, also den Selbstreinigungs- und Recyclingprozess in Zellen, der im Alter nicht mehr so gut funktioniert. Inwieweit erfolgversprechende Zellkulturversuche genauso für den Menschen gelten, wird derzeit erforscht. Interessant ist auch Fisetin. Studien zeigen, dass dieser Pflanzenfarbstoff das Langzeitgedächtnis fördert. Und ein hervorragendes Antioxydans, das freie Radikale neutralisiert, die den Alterungsprozess beschleunigen, ist Quercetin. Es gibt also einiges, was man tun kann.

MAISON MADAME: Welchen Tipp haben Sie außerdem für gesunde Zellen?

Ich empfehle, zweimal im Jahr eine Fastenkur von 14 Tagen einzulegen, allerdings keine Null-Diät. Möglich sind zum Beispiel ein Intervallfasten 16:8, bei dem man täglich in einem Zeitfenster von 16 Stunden fastet oder eine Kalorienreduzierung auf 800 Kalorien pro Tag. Wer viel Sport treibt, kann 1200 Kalorien zu sich nehmen.

Wir können Einiges tun um unsere Zellen langsamer altern zu lassen.(Foto: Zeb Daemen)
Wir können Einiges tun um unsere Zellen langsamer altern zu lassen.(Foto: Zeb Daemen)

MAISON MADAME: Was bewirkt das Fasten im Körper?

Fasten unterstützt ihn bei der Regeneration und ist ein Push für unsere Zellen. Auch hier wird der Prozess der Autophagie angekurbelt: Wenn wir unserem Körper nur sehr wenig Energie zuführen, dann füttert und unterstützt er verstärkt die gesunden Zellen und schaltet die schwachen und angeschlagenen ab.

MAISON MADAME: Welche Ernährung hält uns fit und gesund?

Die gesündeste Ernährungsform ist für mich die Sirt-Food-Diät. Sie enthält wenig Kohlenhydrate, ist proteinarm und man kann damit trotzdem sehr geschmackvoll kochen. Auf dem Speiseplan stehen hauptsächlich sogenannte Sirt-Foods wie Brokkoli, Himbeeren, Kirschen, Grünkohl, Tomaten, Chilischoten, Walnüsse, grüner Tee, Rucola – je bunter, desto besser. Die Sirtfood-Diät setzt auf die Aktivierung körpereigener Enzyme, die Sirtuine, die als Stoffwechselbeschleuniger funktionieren. Dauber hinaus unterstützen sie verschiedene Reparatur- und Schutzmechanismen im Körper.

Die sportliche Betätigung ist ein wesentlicher Faktor des Alterungsprozesses. (Foto: Zeb Daemen)
Die sportliche Betätigung ist ein wesentlicher Faktor des Alterungsprozesses. (Foto: Zeb Daemen)

MAISON MADAME: Bewegung ist auch wichtig. Welche Dosis braucht es?

Man sollte tatsächlich versuchen, jeden Tag eine Stunde Sport zu machen, zum Beispiel morgens 30 Minuten und abends. Wer das überhaupt nicht in seinem Alltag unterbringen kann, sollte wenigstens dreimal pro Woche auf 30 Minuten kommen – dann aber sehr intensiv. Noch wichtiger als Ausdauer- ist Krafttraining. Es fördert die Langlebigkeit, indem es dafür sorgt, dass Körper und Gehirn gut durchblutet werden. Außerdem lagert jeder Muskelzug auf die Knochen Kalzium ein. Das reduziert das Osteoporose-Risiko.

MAISON MADAME: Welches Anti-Aging-Mittel wird ihrer Meinung nach unterschätzt?

Ganz klar: soziale Kontakte. Menschen, die einsam sind, sterben eher und sie erkranken früher an Demenz. Es ist so wichtig, auch im Alter Kontakt zu anderen Menschen zu halten. Das funktioniert durch ein neues Hobby, beispielsweise beim Sport, wenn man ein neues Musikinstrument lernt oder ein Ehrenamt annimmt und Kinder betreut oder sich als Telefon-Engel gegen Einsamkeit engagiert. Im sozialen Kontakt setzen wir Glückshormone frei, das motiviert, macht Spaß und schützt vor Depressionen. Die wirklich gute Nachricht ist: Es ist nie zu spät, damit zu beginnen. Man kann noch mit 70 viel tun, um sich besser und wohler zu fühlen.