Willkommen in der Perimenopause!

Ein Artikel von Sarah Lau

Stay cool, oder nicht? (Foto: Adriano Russo)

Oft gereizt? Niedergeschlagen und energielos? Selbst wenn die Menstruation noch in vollem Gange ist, kann die Perimenopause hinter all dem stecken. UNSERE MISSION: Das Thema Wechseljahre als Anlass zu einem nachhaltigen Better-Aging- Programm begreifen.

Stellen wir uns mal vor, auf Instagram würden sich plötzlich Beiträge häufen, in denen Frauen unkontrolliert schwitzend ihren Smoothie in die Handykamera halten, voller Stolz ihre Wutausbrüche filmen und das alles mit Hashtags #menomania versehen. Undenkbar? Ähnlich der „Period-Pride“-Bewegung existiert in Großbritannien längst ein selbstbewusster Umgang mit der Menopause. Britische Influencerinnen machen es vor.

Den Wechseljahren gut gerüstet gegenüberstehen

Mal selbstironisch wie Beauty-Unternehmerin Caroline Hirons oder überaus persönlich wie Davina McCall in der sehenswerten Fernsehdokumentation „Sex, Myths and the Menopause“. Und auch hierzulande beginnen erste Prominente wie Nina Petri über das Klimakterium zu sprechen, und es landet ein Sachbuch wie „Woman on Fire“ auf der Bestsellerliste. Ein Segen. Eine Enttabuisierung bedingt umfassendere Aufklärungsmöglichkeiten, die es uns wiederum ermöglichen, das Beste aus der Umbruchphase herauszuholen und statt Mid-life-Crisis besser Midlife-Care walten zu lassen. Denn es kann ja sein, dass aufgrund der hormonellen Veränderungen Beschwerden auftreten. Es ist aber auch erwiesen, dass Ernährung, Sport und Entschleunigung einen erheblichen Einfluss darauf haben. Dass Hormonersatztherapien genauso wenig zu verteufeln sind, wie Naturheilkunde zu belächeln. Und dass die Menopause helfen kann, sich von vielen toxischen Angewohnheiten und Konstellationen zu befreien und so zu mehr Gelassenheit und Lebensfreude zu finden.

Innere Schönheit über 40 ausstrahlen und sich wohl und gesund fühlen

Fangen wir an. Statistisch gesehen stellt sich bei den meisten Frauen der letzte Zyklus um das 51. Lebensjahr herum ein. Die Menopause beginnt. Als Postmenopause gilt die Zeit ab einem Jahr nach der letzten Blutung – der Zeitpunkt, an dem die fruchtbare Phase vorbei ist.

Die Perimenopause indes ist die Phase, die die Menopause einleitet und sich durch erste hormonelle Schwankungen bemerkbar macht. Und die beginnt typischerweise ab Mitte 40. Dass die wenigsten Frauen je von der Perimenopause gehört haben, durchaus aber wissen, wie sich Energielosigkeit, Gelenkschmerzen, plötzliche Gewichtszunahme, unerklärliche Kurzatmigkeit, sturzbachartige Blutungen und Herzrasen anfühlen, liegt auch an der unzureichend weitergebildeten Ärzteschaft. „Es ist noch sehr viel zu tun“, bestätigt Gynäkologin Suzann Kirschner-Brouns, die zusammen mit ihrer Kollegin Susanne Esche-Belke aus genau diesem Grund das Buch „Mid-life-Care“ geschrieben hat. Ihrer Erfahrung nach sollten Patientinnen bei Beschwerden nicht nur überprüfen, inwieweit sie sich von Gynäkolog:innen ernst genommen fühlen, sondern diese auch ganz konkret fordern und direkt fragen: Sind Sie mit den neuesten Therapien vertraut? Wie behandeln Sie Wechseljahrsbeschwerden? Denn auch wenn ein Drittel aller Frauen völlig beschwerdefrei durch die Wechseljahre kommt, ist das andere Drittel von Zeit zu Zeit betroffen, und ein Drittel leidet massiv. Besonders bei Frauen unter 50 sind Fehldiagnosen keine Seltenheit. Denn die Perimenopause wird gerade erst breitflächiger erforscht. Zu wissen, dass zum Beispiel für plötzlich auftretendes Gereiztsein oder ungewohnte Niedergeschlagenheit hormonelle Prozesse verantwortlich sein können, hilft sowohl im medizinischen als auch im psychologischen Umgang. „Es tut vielen Beziehungen gut, wenn Frauen durch das Wissen um das, was mit ihrem Körper und ihrer Seele in diesen Jahren passiert, sich und ihre Bedürfnisse besser kennenlernen und kommunizieren können“, so Kirschner-Brouns.

Foto: Adriano Russo

Innere Ruhe entwickeln: auf den Körper hören und Kettenreaktionen stoppen

In unserem Körper agieren Stress-, Sexual- und Schilddrüsenhormone. Wenn der in der Perimenopause zunehmend schwankende Östrogen- und Progesteronspiegel sowie die altersbedingt strapazierten Nebennieren plötzlich Mühe haben, das Stresshormon Cortisol zu deckeln, entsteht eine Kettenreaktion. Zum einen sind Frauen durch die massive Cortisol-Ausschüttung mit Stressreaktionen konfrontiert. Um an anderer Stelle Energie zu sparen und uns für den Stress in Stellung zu bringen, schickt der Körper Eierstöcke, Schilddrüse und Verdauungsorgane in den Sparmodus. So erklären sich Schlafstörungen, Verdauungsprobleme und Heißhungerattacken. Stress ist entsprechend einer der Hauptfaktoren, die man spätestens jetzt im Auge behalten sollte. Schon zehn Minuten Mittagsschlaf schenken neue Energie und aktivieren das Wachstumshormon Somatotropin, das im Schlaf Muskeln auf- und Fett abbaut. Es gilt, der Selbstfürsorge einen neuen Stellenwert im Leben einzuräumen. Das Leben aufzuräumen, bringt Klarheit. Spätestens jetzt ist die Zeit, sich so richtig wichtig zu nehmen.

Schön geschmeidig bleiben: Sport hilft!

Es stimmt, dass der Kalorienbedarf schon während der Perimenopause auf nur noch 65 Prozent des Bedarfs einer Dreißigjährigen sinkt. Waren Fettpolster in den fruchtbaren Jahren wohlproportioniert in Busen und Hüfte gelagert, wird jetzt zur Körpermitte hin umverteilt. Gerade jetzt winkt aber auch die wunderbare Chance, in Bewegung zu kommen. Schon zehn Minuten Training täglich helfen, in Form zu bleiben, und wirken sich positiv auf Schlaf und Wohlbefinden aus. Wer nur fünf Prozent seines Körpergewichts reduziert, verringert nachweislich das Risiko für Diabetes und Herzerkrankungen und verbessert die Stoffwechselfunktion in Leber, Fett und Muskelgewebe. Forscher der University of New South Wales stellten 2019 fest, dass gerade Intervall-Sprinten auf dem Fitnessbike schon nach zwei Monaten zu erstaunlichen Erfolgen führt.

Kurze Session, langanhaltende Ergebnisse

Bei drei Einheiten pro Woche, jeweils 20 Minuten, treten Übergewicht und Muskelabbau in der Menopause gar nicht erst ein oder können umgekehrt werden. Bedenkt man, dass zwischen 45 und 80 sonst fast die Hälfte der Muskelmasse verloren gehen würde: ein echter Ansporn. Yoga hält uns beweglich und geschmeidig. Krafttraining mit Gewichten ist die ideale Osteoporose-Prävention. Die mit dem Alter porös werdenden Knochen profitieren von gezielter und dabei gelenkschonender Belastung, bei der die verschiedenen Muskelgruppen trainiert werden. Da das weniger werdende Progesteron und Östrogen für Krämpfe und schnellere Muskelrisse sorgen kann, an Magnesium denken. Der nette Nebeneffekt ist eine neue Haltung. Wer Muskeln aufbaut, erstarkt auch im übertragenden Sinne und kann sich der neuen Lebensphase gelassen stellen.

Das Richtige essen für die Stimmung

Gerade weil ein sinkender Östrogenspiegel sich auf viele Prozesse im Körper auswirkt, kann er als Stellschraube genutzt werden. Der Stoffwechsel verlangsamt sich durch das abnehmende Sexualhormon. Das erklärt die schnellere Gewichtszunahme bei unveränderten Essgewohnheiten. Hinzu kommt, dass ein veränderter Metabolismus müde macht. Phytoöstrogene, wie sie in Soja, Leinsamen und zahlreichen anderen Pflanzenarten vorkommen, wirken ähnlich wie Östrogen. Sojasauce statt Salz, Seidentofu püriert mit frischen Beeren zum Dessert – nur zwei Beispiele für eine erfolgreiche Ernährungsumstellung. Studien haben mittlerweile gezeigt, dass gerade Veganerinnen weniger Hitzewallungen, Herz-Kreislauf-Beschwerden und Gelenkschmerzen haben. Peggy Reichelt hat sich mit ihrem Berliner Start-up XbyX auf Nahrungsergänzungsmittel für Frauen in den Wechseljahren spezialisiert. Sie plädiert für ein besonderes Augenmerk auf unseren Darm: „Jede Mahlzeit sollte mindestens zur Hälfte aus Obst und Gemüse bestehen, weil Ballaststoffe, Vitamine und Nährstoffe einen großen Einfluss auf unser Darmmikrobiom haben. Da hier Hormone reguliert werden, unterstützt eine gesunde Darmflora dabei, Glücks- und Stresshormone auszubalancieren.“ Kreuzblütler- Gemüse, darunter alle Kohlarten, Rucola und Pak Choi, wird während der Wechseljahre zum Super- food – es entgiftet und fördert die Darmgesundheit.

„Ich sehe ganz oft, dass Frauen nicht genug essen“

Diese Feststellung machte auch Reichelt, die Kurse zur Energiegewinnung und hormonellen Balance anbietet. „Immer in dem Bemühen, gerade während der Menopause nicht zu viel an Gewicht zuzunehmen, probieren sie verschiedenste Diäten und nehmen trotzdem zu, weil der Körper irgendwann ein Nährstoffdefizit hat und alles einlagert, was er bekommt.“ Proteine bekommen einen neuen Stellenwert und wirken gegen den Muskelabbau, wobei Nüsse und Hülsenfrüchte die bessere Quelle sind als Fleisch. Ähnlich wie bei PMS-Beschwerden kann Ernährung sich positiv auf das hormonelle Gleichgewicht und damit auf unsere Laune auswirken. Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren in Fisch und Nussölen, Phytoöstrogene, aber auch Tryptophan-reiche Lebensmittel sind empfehlenswert. Letztere sind etwa in Nüssen, Fisch, Käse, Eiern und dunkler Schokolade enthalten und kurbeln die Produktion des Glückshormons Serotonin an. Schokoriegel und Chips führen dagegen nur in eine zuckergetriebene Heißhungerspirale – eine erhöhte Insulinausschüttung und anschließendes Absinken des Blutzuckerspiegels begünstigen Stimmungsschwankungen. Richtig essen macht glücklich.