Wenn die Haut verrückt spielt

Ein Artikel von Nicola Vidic

Was braucht die Haut? Vor allem Zeit (Foto: Katia Wik)

Empfindliche Haut: wie sie entsteht, was sie reizt, und was wirklich Linderung schafft.

Wer will schon normal sein? Ist doch langweilig. Es sei denn, es geht um unsere Haut. Die soll bitte so normal wie möglich und damit unproblematisch sein. Selbstverständlich ist das nicht. Rund jede*r Zweite leidet, zumindest zeitweise, unter einem sensiblen Teint. Dann rötet sich die Haut, brennt, schuppt oder juckt – und das manchmal sogar scheinbar grundlos. Was viele nicht wissen: Es kann jeden Hauttyp treffen. Spannen, Gereiztheit, aber auch vermehrte Talgproduktion und Unreinheiten können sowohl bei trockener als auch bei fettiger Haut auftreten, und zwar in jedem Alter. Dass Allergien und Hautkrankheiten wie Neurodermitis oder Rosazea die Haut empfindlicher machen, ist wenig überraschend. Aber selbst sonst unkomplizierte Haut kann plötzlich verrückt spielen.

„Die Ursachen für empfindliche oder überreagierende Haut sind noch nicht völlig geklärt“, sagt Dr. Marion Runnebaum, Dermatologin aus Jena. „Man geht davon aus, dass die sogenannten Nervenendigungen leichter reizbar sind und dann Schmerz- oder Stresssignale aussenden.“ Bei der sogenannten atopischen Haut, also bei Allergien oder Neurodermitis, wisse man hingegen mittlerweile, dass manche Substanzen in der oberen Hautschicht fehlen. In beiden Fällen verstärkt eine gestörte und somit leichter durchlässige Hautbarriere die Wirkung äußerer Einflüsse wie Temperaturschwankungen und Luftfeuchtigkeit. Aber auch schädliche Umwelteinflüsse wie Rußpartikel und ultraviolette Strahlung können Auslöser sein. Dazu kommen innere Faktoren. So führen der Alterungsprozess und der sinkende Östrogenspiegel dazu, dass mehr Wasser über die Haut verdunstet, was sie trockener werden lässt. Das verstärkt zum einen die Hautalterung, erhöht aber auch ihre Sensibilität. Außerdem kann Stress zu unerwünschten Reaktionen führen.


Blaues Licht und Masketragen sind eine Belastung für die Haut. Seit der Pandemie stellte Dr. Runnebaum viel mehr gereizte Hautzustände fest. Das habe am blauen Licht gelegen, da mehr Zeit vor dem Bildschirm verbracht wurde. Und natürlich sei auch das ständige Masketragen eine extreme Belastung gewesen, erklärt die Dermatologin. „Außerdem sehen wir es in den Hautarztpraxen als ganz große Herausforderung, dass Patient*innen zu viele Frucht- oder Salicylsäure-Präparate verwendet haben, nur weil es gerade auf Instagram zum Non-plusultra erklärt wird, und dann mit einer total vernichteten oberen Hautschicht zu uns kommen.“ Genauso kann aber auch das Überpflegen mit zu vielen unterschiedlichen Wirkstoffen und Präparaten zu unangenehmen Irritationen führen.

Die besten Feuerlöscher Erste Linderung verschafft eine möglichst reduzierte und beruhigende Basispflege. Marion Runnebaum: „Bei sensibler oder gereizter Haut sollte man möglichst auf Parabene, Konservierungs- und Duftstoffe verzichten. Auch Naturkosmetik kann irritieren, hier spielen Korbblütler oder Teebaum oft eine Rolle.“ Besänftigend und befeuchtend wirken dagegen Thermalwasser und Wirkstoffe wie Glycerin und Cica-Extrakt (Centella asiatica oder Tigergras).


Längerfristig gilt es, die Barrierefunktion der Haut zu optimieren, damit weniger Feuchtigkeit entweichen und weniger Schadstoffe eindringen können. Vitamin C und E wirken als Antioxidanzien stärkend und reduzieren den Stress durch freie Radikale. Ebenso wichtig ist täglicher Schutz vor UV-, aber auch vor blauem Licht. Eine rückfettende Pflege repariert die Kittsubstanzen in der oberen Hautschicht. Deshalb sei Akne bei gereizter Haut besonders schwer in den Griff zu bekommen, denn „einerseits möchte man die Talgproduktion reduzieren, andererseits braucht man Fett für die Pflege der gereizten Nervenendigungen“, erklärt die Dermatologin. Eine Sonderform der sensiblen Haut ist die Rosazea mit Rötungen und sichtbaren Äderchen, Entzündungen und Spannungsgefühl. „Wir wissen, dass die Gefäße Botenstoffe aussenden, die dann weitere Entzündungen auslösen. Sie können mit dem Laser verödet werden, dadurch verbessert sich nicht nur das Hautbild, auch die Beschwerden werden gelindert.“

Auch wer nur ab und zu unter empfindlicher Haut leidet, profitiert von einer gut abgestimmten Pflegeroutine. Die Haut braucht Zeit, sich an Wirkstoffe zu gewöhnen, deshalb verursachen zu häufige Wechsel zusätzlichen Stress. Als Basis eignen sich im Sommer leichtere, Feuchtigkeit spendende Lotionen und im Winter eher fetthaltige Cremes.