„Viele Patientinnen erkennen sich selbst nicht mehr“

Ein Interview von Eva Meschede

Licht ins Dunkle bringen (Foto: Adriano Russo)

Dr. Sonka Heimburg berät das Team des Hamburger Start-ups „Wexxeljahre“. Wir sprachen mit der Gynäkologin über die diffuse Anfangsphase der Menopause – und über Sinn und Unsinn von Hormontests

MAISON MADAME: Warum kommen viele Frauen gar nicht auf die Idee, dass sie in der Perimenopause sind?

Dr. Sonka Heimburg: Die hormonelle Umstellung beginnt meist mit milden, manchmal schwer zuzuordnenden Symptomen. Und das in einer Lebensphase, in der viel passiert: Die Kinder pubertieren, beruflich wird durchgestartet, Arbeitszeit aufgestockt. Eventuell sind sogar alternde Eltern zu versorgen. So werden die ersten Symptome oft nicht den beginnenden Wechseljahren zugeordnet, sondern den vielen Belastungen. Das Bild der Beschwerden ist ja vielfältig und wechselnd. Mal sind es Blutungsstörungen, mal Verstimmungen und Durchschlafprobleme. Die wenigsten Frauen denken hier sofort an die Wechseljahre und verschleppen ihre Probleme oft über eine lange Zeit.

Warum ist es so wichtig, die Beschwerden rechtzeitig einzuordnen?

Eine von zehn Frauen kündigt in den Wechseljahren ihren Job. Denn die Arbeit fällt vielen schwerer, etwa weil Konzentration und Merkfähigkeit nachlassen. Das geben viele ungern zu, aus Angst vor beginnender Demenz und Schamgefühl: „Früher konnte ich mehrere Dinge gleichzeitig machen, jetzt wird mir alles zu viel und ich muss mir Merkzettel schreiben", höre ich eher nebenbei. Es wäre gut für diese Frauen zu wissen, dass das eine Folge der hormonellen Schwankungen ist. Vielen Frauen fallen Blutungsstörungen als erste Zeichen auf. Lange Blutungen, oft stark an den ersten beiden Tagen. Sie bringen den Blutverlust aber nicht mit Erschöpfung und Problemen im Beruf wegen verminderter Leistungsfähigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten in Verbindung. Das ist ein großes Problem für viele Frauen, weil sie gerade jetzt beruflich durchstarten wollen.

Wie können sich Frauen informieren?

In Deutschland oft noch über Freundinnen, erst bei Leidensdruck gehen sie zu ihrer Frauenärztin, da es bislang wenig Literatur für Laien gab. Das ändert sich jetzt glücklicherweise, muss sich aber noch herumsprechen. Für viele ist das Thema aber noch sehr schambesetzt. Oft wird bei uns Ärzten erst am Ende des Termins noch eine Frage nebenbei hingeworfen „Ach, was mir noch einfällt...“ oder aber der Partner wird zitiert „Mein Mann sagt, ich sei nicht mehr auszuhalten“. Es ist ja auch schwierig, über eigene Schwächen zu sprechen, auch weil diese den Patientinnen bisher fremd waren. Sie erkennen sich selbst nicht mehr. Den Satz „So bin ich nie gewesen“ höre ich sehr häufig und oft fließen dann Tränen. Wenn Frauen wüssten, wie normal das alles ist, warum das hormonelle Chaos stattfindet, was es verursacht und wie Symptome einzuordnen sind, dann wäre Ihnen schon sehr geholfen. Glücklicherweise sind unsere Fachgesellschaften jetzt aktiv, das Thema Wechseljahre in die Ausbildung der Ärzte fest zu integrieren, so dass die Beratung hoffentlich auch besser wird. Es ist aber noch einiges zu tun.

Wann macht eine Bestimmung der Hormonwerte Sinn?

Wir richten uns hier nach den Leitlinien – und eine Hormonbestimmung wird darin nicht empfohlen. Das liegt daran, dass die Werte während des Zyklus und auch im Laufe des Tages extrem schwanken. Würde man mehrmals am Tag messen, würde man unterschiedliche Werte erhalten. Auch korrelieren die Beschwerden nicht unbedingt mit den gemessenen Werten. Jede Frau ist hier ganz individuell. Wir schauen uns deshalb die Patientin und ihre Beschwerden an, nicht den Zahlenwert auf dem Papier, und entscheiden, wer eine Hormonersatztherapie braucht und vor allem welche. Eine Ausnahme bildet die Gruppe der jungen Frauen zwischen 40-45 oder sogar unter 40-jährigen. Hier sollte man sich ein Bild machen, ob schon eine Erschöpfung der Eierstöcke besteht. Das hätte eine Konsequenz, wenn noch ein Kinderwunsch besteht oder man eine Osteoporose befürchten muss durch die lange Zeit im Hormonmangel.

Mit der Unterstützung von Frauen hat Wexxeljahre die erste Arztsuche für die Wechseljahre ins Leben gerufen. So kann man anderen Frauen helfen, eine gute Gynäkologin oder einen guten Gynäkologen für die Zeit der hormonellen Veränderungen zu finden.

Zu Wexxeljahre