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Sport über 40 - was verändert sich?

Ein Artikel von Eva Meschede

Muss es denn ausgerechnet Kraftsport sein, wenn ich ab den Wechseljahren meine Figur halten will? (Foto: Zeb Daemen)

Muss Sport mit über 40 ein anderer sein als vor diesem Abschnitt?

Erika Rischko liebt Kraftsport, Gewichte, Geräte. Sie stemmt Kettlebells, geht minutenlang in die Plank und schreckt auch vor der Langhantel nicht zurück. Im Fitness-Studio zeigt sie gerne, wie es geht. Die Influencerin aus dem rheinischen Langenfeld ist seit 2020 auf Social Media und hat 1,6 Millionen Follower*innen auf TikTok. Eine von vielen typischen Fitness-Junkies? Die zierliche Frau mit dem grauen Kurzhaarschnitt ist 83 Jahre alt, erst in den Wechseljahren, mit 55, hat sie mit dem Sport angefangen. Für viele ist sie ein Vorbild, durchtrainiert, schlank und immer gut drauf.

Muss es denn ausgerechnet Kraftsport sein, wenn ich ab den Wechseljahren meine Figur halten will? Tatsächlich ist diese Sportart nicht besonders beliebt. In einer aktuellen Studie sagten 46 Prozent der Deutschen, dass sie am liebsten Rad fahren, gefolgt von Joggen, Wandern und Yoga. Doch derzeit empfehlen viele Expert*innen gezieltes Muskeltraining besonders für Frauen über 40. Muskeln ließen auch im Schlaf Kalorien verschwinden, heißt es. Professor Christine Joisten von der Sporthochschule Köln dämpft zu hohe Erwartungen: „Um die Figur zu halten, ist es sehr wichtig, dass man Energiezufuhr und -verbrauch aufeinander abstimmt. Muskelmasse verbrennt nicht so viel Energie wie häufig gehofft.“ Die Sportmedizi­nerin rechnet vor, dass ein Kilo Muskelmasse circa 100 Kilokalorien pro Tag verbraucht. Mit einem normalen Krafttraining würde eine Sportlerin ein bis zwei Kilo Muskelmasse pro Jahr dazugewinnen. Um ihre Figur zu halten, dürfte sie also maximal 200 Kilokalorien mehr pro Tag essen, das entspräche gerade mal zwei Rippchen einer Tafel Schokolade. Wer abnehmen will, sollte unbedingt auch seine Ernährung (Seite 172) anpassen, so Joisten, vielleicht auch mal eine Mahlzeit auslassen.

Die berühmten 10.000 Schritte am Tag - woher stammt diese Anzahl eigentlich? (Foto: Zeb Daemen)

Nichtsdestotrotz hat Krafttraining viele Vorteile, auch wenn es alleine nicht ausreicht, um schlank zu bleiben. Es beugt Osteoporose vor und mindert das gefährliche viszerale Fett, das selbst bei schlanken Menschen unter der Haut – vor allem im Bauchraum – zu finden ist und zahlreiche der typischen Zivilisationskrankheiten mitverursacht. Zudem verlieren Frauen zwischen dem fünfzigsten und siebzigsten Lebensjahr im Schnitt 30 Prozent ihrer Muskeln. „Uns Sportmedizinern ist es wichtig, die Muskelmasse überhaupt zu erhalten“, sagt Joisten. Und dabei helfe tatsächlich schon ein moderates Krafttraining der großen Muskelgruppen an Oberkörper, Armen und Beinen; etwa Armübungen mit einer kleinen Wasserflasche als Gewicht, Kniebeugen oder Seilspringen, bei dem man automatisch alles anspannt. Beispiele für Übungen findet man etwa auf Joistens Instagram-Account @gesund.to.go. Damit kann man ohne großen Aufwand ausprobieren, was einem liegt.

Besser als ein Sport, der womöglich überhaupt keinen Spaß macht, und den man deshalb langfristig nur schwer durchhält, sei es, so die Ärztin, überhaupt dauerhaft in Bewegung zu kommen. Denn dass wir ab 40 leichter zunehmen, hat nicht nur mit hormoneller Umstellung und Muskelschwund zu tun. Sondern auch damit, dass man sich immer weniger bewegt, je älter man wird. Früher tanzten wir öfter mal eine Nacht durch oder schwangen uns aufs Rad, um spontan jemanden zu besuchen. Heute sind unsere Tage mit Terminen eng getaktet, wir sitzen zu viel, häufig entfällt wegen Homeoffice auch noch der Arbeitsweg. Deshalb sollte man bewusst versuchen, an fünf Tagen in der Woche 30 bis 60 Minuten Bewegung in sein Leben zu integrieren. „Muskulatur wird auch beim Tanzen oder Yoga gebildet“, beruhigt Joisten Krafttrainings-Verweigerer, „und das Beste für Kraft in Beinen und Po ist zügiges, ausdauerndes Gehen oder Treppensteigen.“ Zwar stammten die berühmten täglichen 10 000 Schritte nicht aus einer wissenschaftlichen Untersuchung, sondern aus dem Werbegag für einen japanischen Schrittzähler. „Aber man kann sie trotzdem gut als Richtwert nehmen, um täglich größere Strecken, am besten schneller als gewöhnlich, zurückzulegen“, empfiehlt die Sportmedizinerin.

Dass wir ab 40 leichter zunehmen, hat nicht nur mit hormoneller Umstellung und Muskelschwund zu tun. (Foto: Zeb Daemen)

Auch Fitness-Trainerin Eva Anker rät Frauen: „Suche dir die Bewegungsform aus, die deinem Naturell entspricht und die dich interessiert“ – alles andere bringe auf Dauer nichts. Anker hat sich auf Sport in den Wechseljahren spezialisiert. Ihre Empfehlung: „verschiedene Disziplinen, die täglich wechseln und nicht zu lange dauern.“ Denn man könne es auch übertreiben. Ein sehr hartes, langes Training setze ­womöglich den Körper unter Stress, sodass sogar ­ungesunde Effekte eintreten könnten, etwa schmerzende Gelenke. Vor allem Anfängerinnen würden sich leicht überfordern. Anker setzt auf eine Kombina-tion aus verschiedenen Fitness-Disziplinen: Yoga, ­Pilates, Krafttraining, High-Intensity-Intervalltraining sowie Relax-Einheiten. Zusammen mit ihrer Kollegin Andrea Zeh bietet sie auf der Webseite „My Lovely Routine“ (mylovelyroutine.com) Online-Programme speziell für Frauen in den Wechseljahren. Circa zwanzig Minuten Sport, idealerweise viermal pro Woche, reichten aus, um spürbar und sichtbar topfit zu werden, verspricht sie.

Sie weiß, dass viele Frauen die Veränderungen der eigenen Figur, etwa die Gewichtszunahme in der Körpermitte, nerven. Der erste Schritt zu mehr Wohlbefinden sei deshalb die Anerkennung des eigenen Alters. „Gehe milde mit dir selbst um und urteile nicht zu hart über sich verändernde Äußerlichkeiten“, rät sie. Im zweiten Schritt könnten dann gesunde Routinen entwickelt werden, die Freude bringen und auch langfristig glücklich machen.

Für einen neuen Anfang ist es jedenfalls nie zu spät, zumal Sport-Novizinnen den schnellsten Kraftgewinn verzeichnen und so motivierende Resultate erzielen, macht Sportmedizinerin Joisten Mut. Und Fitness-Influencerin Erika Rischko meint: „Viele glauben, dass das Alter einen aufhält. Bei mir ist es genau andersherum.“

Professor Christine Joisten ist Allgemeinmedizinerin mit den Schwerpunkten Sport, Ernährung und ärztliche Psychotherapie. Die Leiterin der Abteilung Bewegungs- und Gesundheitsförderung an der Deutschen Sporthochschule Köln geht selbst am liebsten zum Laufen und Schwimmen.

Eva Anker hat sich als Fitness-Trainerin auf die Wechseljahre spezialisiert, nachdem sie und ihre Co-Trainerin Andrea Zeh am eigenen Leib erfahren haben, wie wenig sie über diese wichtige Lebensphase wissen. Unter „My Lovely Routine“ bieten die beiden passgenaue Online-Fitness für Frauen Ü40.