Schön sauer
Was sagt die Wissenschaft über das gesunde vaginale Mikrobiom?
Es ist aktuell eines der Top-Themen in der Forschung: das menschliche Mikrobiom. Vor allem: Wie beeinflusst das Zusammenspiel aller Mikroorganismen im Körper – darunter Bakterien, Viren, Pilze – unsere Gesundheit? Wissenschaftliche Publikationen dazu boomen. In nur einem Jahr wurden bis September 2023 laut Datenbank Pubmed unter dem Schlagwort „microbiome“ fast 27 000 Artikel veröffentlicht.
International verschiedene Mikrobiome
Die Mikrobiologin Dr. Kristin Neumann hat als Gründerin und wissenschaftliche Leiterin der Plattform MyMicrobiome das Thema zu ihrem Beruf gemacht. Sie klärt über die Welt der Organismen auf und testet für Unternehmen Produkte, etwa aus dem Textil-, Beauty- oder Medizinbereich, auf Mikrobiom-Tauglichkeit. Je nach Körperteil, etwa auf der Haut oder im Darm, findet sich eine andere gesunde Zusammensetzung der Organismen. „Derzeit beschäftigen wir uns viel mit dem Vaginalmikrobiom und zertifizieren mehr Produkte dazu“, sagt Dr. Neumann. Gynäkolog*innen wissen schon lange, dass die „Scheidenflora“ im sauren Bereich liegen sollte, damit Frauen seltener an bakterieller Vaginose, Pilzen, Chlamydien oder anderen Infektionen erkranken. Forscher versuchen nun, mehr darüber herauszufinden. Das Mikrobiom in der Scheide erlaube nur wenigen bakteriellen Spezies, dort zu leben, so die Expertin. Das Ökosystem sei von verschiedenen Laktobazillen besiedelt, die Milchsäure produzieren. Aber: „In der Wissenschaft ist man sich immer noch nicht ganz einig, was genau das gesunde Vaginalmikrobiom ist.“ Man hat es über Kontinente hinweg an Frauen unterschiedlicher Ethnie oder Lebensweise untersucht und verschiedene Mikrobiome gefunden. Nicht alle enthielten hohe Konzentrationen an Milchsäure.
Die guten Bakterien werden weniger
Stärken könne man die Scheidenflora mit gesunder Ernährung, Bewegung und einem Hygiene-Verhalten, bei dem möglichst wenig Produkte verwendet werden. Unterstützend wirken Probiotika, die Laktobazillen enthalten, die sollten Frauen sich aber verschreiben lassen, denn: „Es gibt viele, die nichts taugen.“ Von Selbsttests des vaginalen Mikrobioms, die im Internet circa 240 Euro kosten, hält Neumann nichts: „Das ist teuer und eine Modeerscheinung.“ Bei Beschwerden, etwa häufigen Harnwegsinfektionen, aber auch bei unerfülltem Kinderwunsch, empfiehlt sie Frauen, die Flora von Ärzt*innen testen zu lassen.
Da Östrogenausschüttung und Laktobazillen zusammenhängen, werden in der Menopause die guten Bakterien in der Scheide weniger. Kein Grund zur Panik: „Es gibt gesunde Frauen, die ihr Leben lang mit einem vaginalen Mikrobiom leben, das nicht von sauren Laktobazillen dominiert ist.“