Morgens Gleichberechtigung, nachmittags Buntwäsche

Ein Interview von Eva Meschede

Die Schuhe binden wir uns schließlich noch allein (Foto: Oda Eide)

„Geständnisse einer Teilzeitfeministin“ heißt das Buch von Heike Kleen. Die Journalistin hatte sich immer wieder gefragt: Müsste ich nicht längst viel gleichberechtigter und freier sein?

MAISON MADAME: Frau Kleen, was ist denn eine Teilzeitfeministin?

Heike Kleen: Eine Feministin, die vormittags flammende Texte zum Thema Gleichberechtigung schreibt, und nachmittags die Wäsche zusammenlegt – für zwei Kinder und den Mann. Ich weiß, wie wichtig es ist, dass wir Frauen stärken und dass wir uns nichts gefallen lassen sollen und denke: Würde ich die Wäsche genauso häufig zusammenlegen, wenn ich mit genau der gleichen Bildung ein Mann wäre?Nein. Und dann entscheide ich: Es ist nur Wäsche, reg‘ dich nicht so auf! Die Teilzeitfeministin versöhnt sich mit dem Zwiespalt. Auch dass der Mann am Grill steht und die Frau die Salate macht, das ist doch eigentlich absurd. Ich habe zum Beispiel noch nie im Leben gegrillt, manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich das nicht emanzipiert finde. Aber ehrlich gesagt: Ich habe gar keine Lust zu grillen. Und finde es auch nicht toll, wenn die Wäsche ewig rumliegt.

Also eine durch Erfahrung kompromissbereite Frau. Sind die jüngeren Frauen denn Vollzeitfeministinnen?

Ich bewundere diese jungen Frauen, die radikaler sind als ich. Die starke Thesen aufstellen und sagen, sie würden sich nie unterordnen. Sie fordern, alles gleichberechtigt zu tun. Etwa dass sich beide Eltern gleichermaßen um die Kinder kümmern. In der Theorie bin ich voll dafür, in der Praxis bin ich zu oft eingeknickt. Das Kind weint beim Abgeben in der Kita, und schon ich stelle mein ganzes Leben in Frage. Meine Generation kennt das schlechte Gewissen, Kinder zu haben und gleichzeitig zu arbeiten, noch zu gut. Wir wurden so sozialisiert und lassen uns immer noch einreden, dass wir schlechte Mütter sind, wenn wir nicht alles perfekt unter einen Hut bekommen. Wenn die jüngeren, radikaleren Feministinnen das tatsächlich nicht mehr so empfinden, dann fände ich das toll. Natürlich müssen wir Männer viel mehr in die Pflicht nehmen, aber ich bin auch für den Dialog, für Versöhnung. Ich denke, die Gemeinsamkeiten zwischen Männern und Frauen sind viel größer als das, was uns trennt. Ich bin dafür, vieles mit Humor zu nehmen und auch mein eigenes Verhalten zu hinterfragen.

Sollten überall Kompromisse gemacht werden?

Beim Geld nicht! „Ein Mann ist keine Altersvorsorge“ heißt der wunderbare Buchtitel von Helma Sick. Und es gibt ja nicht nur die jungen radikalen Feministinnen, sondern auch die jungen Frauen, die in Mini-Teilzeit arbeiten. Denen würde ich am liebsten zurufen: Hey, guckt wo ihr bleibt! Seht zu, dass ihr auch langfristig was von der Kohle abkriegt, die euer Mann verdient. Es schön und so wichtig, mit den Kindern zusammen zu sein. Aber wir müssen auch zusehen, dass wir nicht zur Tafel gehen müssen, wenn wir 72 Jahre alt sind; oder uns als Rentnerin keine Wohnung mehr leisten können. Die Altersarmut bei Frauen ist groß. Hier werde ich radikal und sage: Solange die Politik nicht handelt, müsst ihr das innerhalb der Familie aushandeln. Ihr dürft die ganze Care-Arbeit nicht ehrenamtlich machen. Von außen ändert sich nur langsam etwas: Es gibt immer noch den Gender Pay Gap, der auch dazu führt, dass der Mann zum Versorger wird, sobald Kinder ins Spiel kommen. Und es gibt immer noch das anachronistische Ehegattensplitting, das steuerlich fördert, wenn ein Ehepartner nichts oder wenig verdient. Und das sind meistens die Frauen.

Und wie steht die Teilzeitfeministin zu den Wechseljahren?

Ich hatte vor fünf Jahren ein Buch über Menstruation geschrieben, damals war das Thema noch ähnlich tabuisiert wie die Menopause. Dabei wurde mir klar, dass es schon viel hilft, wenn wir Frauen offen miteinander reden, denn jede weiß etwas anderes. Deswegen würde es mich freuen, wenn auch die Wechseljahre ein ganz natürliches und normales Thema würden. Frauen sollten ganz entspannt über ihren Körper und Probleme reden. Wir haben es in der Hand: Wenn wir uns austauschen, wird schon vieles besser. Eine Freundin sagte kürzlich, sie glaube, sie werde dement. Ihr fällt dies nicht ein und dann wieder das nicht. Ich wusste, das könnte auch an den Wechseljahren liegen, Vergesslichkeit ist ein typisches Symptom, das mit dem sinkenden Östrogenspiegel zusammenhängt, sich aber auch wieder legt, wenn der Körper sich eingependelt hat. Es kann doch sehr beruhigend sein.

Schlafstörungen sind ja auch so ein Ding. Klar, ich werde auch immer zwischen vier oder fünf Uhr wach. Ich nenne es die Stunde der Wölfin, da fühlt sich alles ganz schrecklich an, das Gedankenkarussell rast. Ich wache also auf, und denke, das Leben ist ganz böse und alles wird furchtbar schiefgehen. Niemals werde ich meine To-do-Liste abarbeiten können, diesen Berg Arbeit werde ich nie schaffen. Die Stunde der Wölfin ist grausam. Aber allein das Wissen, dass diese Gefühle ein Symptom der schwankenden Hormone sind, dass zu diesem Zeitpunkt der Melatonin-Spiegel besonders hoch ist, aber die fröhlich stimmenden Hormone tief und fest schlafen, hilft mir schon sehr. Am Morgen sieht mein Leben dann schon wieder viel sonniger aus.

Journalistin & Autorin Heike Kleen (Foto: PR)
Ihr Buch "Geständnisse einer Teilzeitfeministin" (Rowohlt Taschenbuch Verlag)