Wie wir es schaffen, klug und regelmäßig zu trainieren

Ein Interview von Sabrina Waffenschmidt

Gut gedehnt (Foto: Jaap Strijker)

Neues Jahr, neues Glück, endlich mehr Sport? Wie wir unsere Motivation aufrechterhalten, warum Frauen anders als Männer trainieren sollten und wir in den Wechseljahren davon profitieren, erklärt Arlow Pieniak, Personal Trainer und Gründer von „Work It Training“ in Hamburg

MAISON MADAME: Unsere Welt orientiert sich in vielerlei Hinsicht an Männern. Gilt das auch für den Sport?

Arlow Pieniak: Unsere gesamte Sporterziehung ist von Männern für Männer gemacht. Selbst der heutige Sportunterricht steht größtenteils noch immer in dieser veralteten Tradition. Was im Schulsport und in vielen Sportarten gefordert wird, hängt sich fast immer an Kraft, Schnelligkeit und Schnellkraft auf, also der Fähigkeit, den eigenen Körper (z. B. Sprinten oder Schwimmen) oder einen Gegenstand (z. B. Wurfsportarten) in kurzer Zeit mit großer Kraft zu bewegen. Das sind alles klassische Stärken des männlichen Körpers. Das führt dazu, dass Frauen in vielen Sportdisziplinen schlechter sind. Darin liegt keine Wertung. Doch es ist unfair und frustrierend – und viele haben deswegen schon in der Schule die Lust am Sport verloren.

„Unsere gesamte Sporterziehung ist von Männern für Männer gemacht. Das ist unfair und frustrierend – viele haben deswegen schon in der Schule die Lust am Sport verloren.“

Arlow Pieniak, Gründer von Work It Training

Wie wichtig sind Kraft und Schnelligkeit denn überhaupt?

In unserem Alltag? Kaum! Wann müssen wir schon über einen Kasten springen oder im Vollsprint irgendwo hinrennen? Doch jetzt kommt das große Aber: Bei einem guten Training geht es darum, persönliche Defizite systematisch zu reduzieren. Männer sind zwar schneller und stärker, doch dafür sind sie weniger beweglich, haben eine schlechtere Koordination und sind auf der Langstrecke schwächer. Training für Männer sollte also genau da ansetzen. Umgekehrt sollten Frauen …

… an ihrer Kraft, Schnelligkeit und Schnellkraft arbeiten.
Genau! Frauen sind beweglicher, dadurch aber leider auch instabiler. Deshalb ist es enorm wichtig, den Rumpf zu trainieren. Das sorgt für Stabilität, mit der ich Kraft erzeugen kann. Darüber hinaus kontern die Effekte von Kraft- und Schnellkrafttraining direkt die negativen Effekte der Wechseljahre. Schnellkrafttraining, zu dem etwa Sprint- und Intervalltrainings gehören, stabilisieren das Bindegewebe, helfen Hitzewallungen zu reduzieren, die Eisenaufnahme zu verbessern und entzündliche Prozesse zu verringern. Hüpfen und Springen wirkt dem Östrogenmangel entgegen, unterstützt den Stoffwechsel und die Knochendichte. Und auch Krafttraining mit hohen Gewichten und wenig Wiederholungen wirkt sich positiv auf den Hormonhaushalt aus und stärkt die Knochen.

Das klingt nun aber doch wieder nach Sportunterricht.
Die Übungen mögen sich ähneln, aber die Idee ist eine völlig andere. Abgesehen davon, dass sich auch im Schulsport manches ändern sollte, ist die Heranführung an ein solches Training meist für Männer gemacht. Und häufig steht ein Wettbewerbsgedanke dahinter. Unser Training ist aber nicht darauf ausgerichtet, akrobatische Fähigkeiten zu entwickeln oder Olympia zu gewinnen, sondern körperliche Prozesse gezielt auszulösen. Hat man das einmal verstanden, verändert sich häufig die eigene Einstellung. Wichtig ist: Nicht einfach drauf losrennen, sondern das Training langsam und systematisch aufbauen.

Viele Menschen starten mit großen Vorsätzen ins neue Jahr. Nur verschwindet die Motivation oft schneller, als uns lieb ist …

Der Grund, warum es spätestens Ende Januar kollektiv schief geht, ist, dass die meisten sich gleich zu Beginn mit dem Training überfordern. Untrainierte rennen drei Mal die Woche ins Studio, trainieren viel zu hart, und bieten ihrem Körper nicht genug Regeneration. Obendrauf machen viele Diät und befinden sich in einem viel zu großen Kaloriendefizit. Das zieht man dann genau zwei, drei Wochen durch – bis der Körper nicht mehr mitmacht oder man einfach die Lust verliert. Man sollte sich nicht geißeln, sondern mit einem sinnvollen Plan drangehen und sich langsam steigern.

Welche drei Gewohnheiten sollten sich Frauen zu Herzen nehmen, wenn sie starten? 

Erstens: Machen Sie irgendwas – aber machen Sie es systematisch! Beginnen Sie zum Beispiel damit, jeden Morgen zu spazieren. Gehen Sie einmal um den Block und steigern Sie kontinuierlich die Strecke und die Geschwindigkeit. Oder Sie beginnen mit einem Liegestütz, und machen jeden Tag einen mehr. Oder Sie springen eine halbe Minute auf der Stelle und steigern nach und nach die Dauer.

Zweitens: Seien Sie freundlich und rücksichtsvoll zu sich selbst und Ihrem Körper. Training muss und soll nicht wehtun. Beginnen Sie langsam und trainieren Sie regelmäßig. Achten Sie außerdem darauf, dass Sie genug trinken, essen und schlafen.

Und drittens: Trainieren Sie unter Berücksichtigung Ihres Zyklus’. In der ersten Zyklushälfte, also mit Einsetzen der Periode, können Frauen gut und schwer trainieren. Es ist sinnvoll, in dieser Zeit die Schnellkraft zu trainieren, etwa mit Intervalltraining, sowie Krafttraining mit hohen Gewichten. In der zweiten Zyklushälfte ist der Körper weniger leistungsfähig – und es reichen 60 Prozent Leistung. Nutzen Sie diese Phase lieber, um an Ihren Schwachpunkten zu arbeiten und die Rumpfstabilität zu trainieren.

Und wenn’s schon vorbei ist mit dem Zyklus?

In den Wechseljahren sind die Hormonschwankungen natürlich weniger eindeutig und Sie sollten vor dem Training immer in sich hineinfühlen, wie es Ihnen geht. Denn es bringt nichts, gegen sich selbst anzutrainieren.

Arlow Pieniak, Personal Trainer und Gründer von Work It Training (Foto: Felix Matthies)