„Man kann den Stoffwechsel deutlich verbessern“

Ein Interview von Eva Meschede

Nach den Nährstoffen greifen (Foto: Olivier Yoan)

Dr. Helena Orfanos-Boeckel ist Internistin und Expertin für Stoffwechsel und Prävention. In ihrem Buch „Nährstoff-Therapie, Orthomolekulare Medizin & Bioidentische Hormone“ (Trias Verlag) erklärt sie, wie Nährstoffe und Hormone uns gesünder alt werden lassen. Das wollten wir genauer wissen

MAISON MADAME: In Ihrem Buch schreiben Sie, dass ständig Frauen in ihren 40ern in Ihre Praxis kamen, die zwar organisch gesund waren, sich aber nicht wohl fühlten. Was war denn da los?

Dr. Helena Orfanos-Boeckel: Die Frauen konnten nicht gut schlafen oder waren am Tag zu müde. Andere hatten immer wieder Infekte, Probleme mit der Verdauung, Kopfschmerzen, eine unreine Haut oder Haarausfall. Und sie zeigen eine hohe Stress-Empfindlichkeit, die sich somatisch in Rückenschmerzen oder Bauchschmerzen äußerte, der Tag war ihnen immer ein bisschen verdorben. Es waren aber alles Frauen, die sich gut ernährten und regelmäßig Sport trieben. Sie machten also viele Dinge richtig, trotzdem war es zu Stoffwechsel-Veränderungen im Körper gekommen. Mit Anfang 40 spielt der hormonelle Wandel der Wechseljahre eine wichtige Rolle. Ich stellte dann fest, dass trotz gesunder Ernährung Nährstoff-Mängel im Labor nachgewiesen werden konnten.

Sie haben sich daraufhin auf Labor-Diagnostik spezialisiert, um herauszufinden, welche Nährstoffe den Frauen fehlen.

Ja, als Internistin und Nephrologin (Fachärztin für Nierenheilkunde) wendete ich ohnehin schon eine sehr eingehende Labor-Diagnostik an. Die habe ich über 20 Jahre lang immer weiterentwickelt, immer mehr Werte hinzugenommen. Dabei ist mir bewusst geworden, dass man den Stoffwechsel mit Nährstoffen deutlich verbessern und auch stärken kann. Wenn Sie heute zu mir kommen, dann nehmen wir 15 bis 20 Röhrchen Blut ab und lassen das in verschiedenen Laboren untersuchen. Und dabei geht es nicht nur um den Ausschluss von Krankheiten und Störungen, sondern auch um den Hormonhaushalt und sehr viele Nährstoffe. Es ist eine komplexe, eingehende Diagnostik. Es kann ab einem gewissen Alter durchaus angezeigt sein, eine Nährstoff- und eine bioidentische Hormontherapie zu nutzen, um den Körper robuster einzustellen, Mängel auszugleichen und Alterungsprozesse aufzuhalten.

An welchen Nährstoffen mangelt es Frauen denn besonders häufig?

In Deutschland verbindet uns alle ein Vitamin-D-Mangel, weil wir im Norden der Halbkugel leben und uns meist in Räumen aufhalten. Die Vitamin-D-Therapie sollte aber individuell dosiert und eventuell von Nährstoffen wie Calcium, Magnesium, Bor und Vitamin K2 begleitet werden. Oft fehlen auch Selen, Jod und Eisen. Viele haben einen Vitamin B-Mangel – Menschen, die kein Fleisch essen, leiden oft unter starkem B12-Mangel. Auch Vitamin C ist oft nicht so da, wie der Körper es bräuchte, um Krankheiten zu widerstehen. Von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung wird täglich eine Einnahme von 60 oder 80 Milligramm empfohlen. Das reicht, um keinen Skorbut zu bekommen. Es ist aber nicht die Dosis, die ich im Blut haben muss, um Vitamin C heilend anzuwenden. Wenn jemand einen Knochenbruch hat, heilt dieser besser, wenn er oder sie gut mit Vitamin C versorgt ist, da Vitamin C wichtig ist für die Kollagensynthese. Dafür wäre dann je nach Spiegel im Blut auch mal eine deutlich höhere Dosis etwa von 3000 bis 4000 Milligramm täglich erforderlich.

Sie bieten eine Nährstoff-Therapie an, was ist das?

Das ist eine individuell auf den Patienten abgestimmte, hochdosierte Verwendung von Nährstoffen (Vitamine, Mineralien, Spurenelemente, Omega-3 Fettsäuren und Aminosäuren) nach eingehender funktioneller Labordiagnostik; ganz im Gegensatz zur Ausschlussdiagnostik, die in der Schulmedizin normalerweise erfolgt. Nährstoffe werden zusammen mit den körpereigenen Hormonen wie ein Medikament benutzt, um den Stoffwechsel robuster zu machen. Damit gelingt es uns physisch und psychisch besser, unter Stress und beim Älterwerden stabil zu bleiben. Viele können eine Nährstofftherapie gut gebrauchen, nicht nur Frauen in den Wechseljahren. Sondern auch die Kranken, gerade bei altersbedingten Leiden wie Arteriosklerose, Osteoporose und Demenz; die Gesunden, die gesünder alt werden wollen, die Müden, die Gestressten, Frauen mit Kinderwunsch, Schwangere und Menschen mit psychischen Beschwerden wie Depressionen und Angststörungen.

Aber ist man nicht mit allen Nährstoffen ausreichend versorgt, wenn man sich ausgewogen ernährt?

Die Therapie greift ergänzend zu gesunder Ernährung und Verhalten. Was ich mit Nährstoffen und Hormonen erreichen will, geht nicht allein mit Ernährung. Wenn ich den Stoffwechsel gegen die Natur (Alter, Genetik, Epigenetik und Umwelt) verbessern möchte, zum Beispiel ergänzend zur Schulmedizin Osteoporose behandeln oder vermeiden möchte, reicht gesundes Essen allein nicht aus.

Dr. med. Helena Orfanos-Boeckel
Buch von Helena Orfanos-Boeckel