Karrierekiller Wechseljahre?

Ein Artikel von Andrea Frost

Müssen wir im Job noch die Ellbogen ausfahren? (Foto: Zeb Daemen)

Mit Mitte, Ende 40 sind viele Frauen auf dem Höhepunkt ihres beruflichen Erfolgs – und in der Perimenopause, die an den wenigsten spurlos vorbeigeht. Was Unternehmen tun können, damit Mitarbeiterinnen in dieser Zeit nicht resignieren

Sie sind seit 20 Jahren erfolgreich im Job und fühlen sich plötzlich überfordert? Sie sind empfindlicher, reizbarer und lassen sich schneller verunsichern? Schlafstörungen und „Brain Fog“ wirken sich auf Ihre Leistungsfähigkeit aus? Dann sind Sie nicht allein. Studien zufolge ist jede zehnte Frau so stark von Begleiterscheinungen der Wechseljahre beeinträchtigt, dass es sich auf ihre Arbeitsfähigkeit auswirkt. Einige Frauen verlassen sogar das Unternehmen oder wechseln freiwillig in eine weniger anspruchsvolle Position, weil sie sich den Herausforderungen nicht mehr gewachsen fühlen.

Dem gegenüber steht der Frauenmangel im Top-Management – noch immer dominieren die Stefans, Michaels und Christians die Führungsetagen der deutschen Firmen. Während ein Großteil der Unternehmen Angebote wie Massagestühle, Trainingseinheiten oder höhenverstellbare Schreibtische bereitstellt, um Rückenproblemen vorzubeugen und Achtsamkeits- oder Meditationskurse gegen Stress anbietet, gibt es für Frauen in den Wechseljahren nur wenig Unterstützung. Weil Betroffene und Vorgesetzte schlicht nicht wissen, was in dieser Lebensphase körperlich passiert – die klischeehaften Hitzeschübe sind ja nicht die einzige Herausforderung.

So sieht ein wechseljahresgerechter Arbeitsplatz bei bonprix aus

Erste Unternehmen – zum Beispiel SAP (wir berichteten), Kellogg, ExxonMobile, bonprix oder Vodafone – befassen sich bereits mit dieser Frage.

Mit einem Frauenanteil von 70 Prozent in der Belegschaft ist es dem Modeunternehmen bonprix ein besonderes Anliegen, Mitarbeiterinnen in allen Lebensphasen und -lagen zu unterstützen, also auch die Frauen in den Wechseljahren zu informieren – und Aufmerksamkeit zu schaffen.

Ein Impulsvortrag zum Thema „Ernährung und Wechseljahre“ von Susanne Liedtke (Nobodytoldme) war der erste Baustein im Programm. Danach wurden die Frauen nach ihren konkreten Interessen und Bedürfnissen befragt. Das Ergebnis: Ein Onlinekurs über acht Sessions an festen Terminen mit Themen wie: kognitive Verhaltenstherapie in den Wechseljahren, Phasen und Symptome der Perimenopause, Hilfestellungen für Job und Privates sowie ein Austausch mit einer Gynäkologin. Und nicht zuletzt: die positiven Aspekte der Wechseljahre. Alle Materialien standen nach dem Kurs im Intranet zur Verfügung. „Unser Wechseljahres-Programm findet große und sehr positive Resonanz“, sagt die Programm-Initiatorin Andrea Pilat, Referentin Personalentwicklung und Berufliches Gesundheitsmanagement. „Diese Initiative passt hervorragend in die aufgeschlossene, offene und menschliche Kultur von bonprix. Trotzdem hat mich das große Interesse und auch die rege Teilnahme erstaunt. Die Wechseljahre sind durchaus ein Thema, das Berührungsängste auslösen kann und das im Arbeitskontext mindestens ungewohnt, wenn nicht sogar manchmal noch befremdlich, scheint. Ich freue mich, dass wir helfen konnten und können, das Thema aus der Tabu-Ecke zu ziehen. So unterstützen wir Kolleginnen, auch in dieser Lebensphase leistungsfähig zu bleiben und sich in der eigenen Haut wohlzufühlen. Und wir ermutigen alle, gesundheitliche Themen auch im Arbeitskontext anzusprechen.“

Vodafone hat sich ein hohes Ziel gesteckt

Bis 2025 will das Mobilfunkunternehmen weltweit der attraktivste Arbeitgeber für Frauen werden. Aktuell sind geschätzt rund 15 Prozent der 100.000 Vodafone-Mitarbeitenden in den Wechseljahren. Um diese Frauen bestmöglich zu unterstützen, und damit sich alle trauen, um Hilfe zu bitten, bietet das Unternehmen Unterstützung, Schulungen und Aufklärungsarbeit an. „Heute wird über fast alles offen gesprochen. Doch wie ist es mit der Menopause bzw. den Wechseljahren? Darüber reden Viele doch lieber hinter vorgehaltener Hand und mit leiser Stimme“, sagt Erdmute Thalmann, Managerin Diversity & Worklife bei Vodafone.

„Aber Wechseljahre sind eine ganz natürliche Phase im Leben einer jeden Frau – egal, wo sie wohnt, welche Sprache sie spricht, welche Hautfarbe sie hat. Für manche Frauen kaum spürbar, andere leiden.“ Die Menopause gehört nicht in die Tabuzone oder Witze-Ecke, fordert Erdmute Thalmann. „Je mehr wir darüber reden und lernen, desto mehr können wir unterstützen.“ Sollte jetzt permanent darüber gesprochen werden? „Nein, aber nehmen wir es als das, was es ist: die natürlichste Sache der Welt. Und wir bieten Frauen eine passende, wertschätzende Unterstützung an, wenn sie diese benötigen und möchten.“

Ein „Informations-Toolkit“ zum Thema Menopause soll Betroffene und deren Umfeld über die Wechseljahre und deren Auswirkungen aufklären und dafür sensibilisieren. Insbesondere auch die Führungskräften werden in Gesprächen auf das Thema aufmerksam gemacht und vorbereitet. Daneben bietet Vodafone ein sehr flexibles Arbeitsmodell an, das den Mitarbeitenden ermöglicht zu entscheiden, wo und wann sie arbeiten.

Andrea Pilat, Personalentwicklung und Gesundheitsmanagement bei bonprix

„Die Wechseljahre sind durchaus ein Thema, das Berührungsängste auslösen kann und das im Arbeitskontext mindestens ungewohnt, wenn nicht sogar manchmal noch befremdlich, scheint.“

Andrea Pilat

Erdmute Thalmann, Managerin für Diversity & WorkLife bei Vodafone

„Aber Wechseljahre sind eine ganz natürliche Phase im Leben einer jeden Frau – egal, wo sie wohnt, welche Sprache sie spricht, welche Hautfarbe sie hat. Für manche Frauen kaum spürbar, andere leiden.“

Erdmute Thalmann