Im Job über die Wechseljahre sprechen?

Ein Artikel von Isabell Spilker

Kein Grund, sich einen Kopf zu machen (Foto: Mickael Schulz)

Vom Mut, zu den weiblichen Herausforderungen zu stehen: Eine neue Initiative setzt sich für berufstätige Frauen in den Wechseljahren ein - gute Sache, finden wir uns liefern ein Plädoyer für mehr Courage und neue Selbstverständlichkeiten

„Ich kann heute leider nicht mitmachen, ich habe meine Tage!“ Wer erinnert sich daran, wie man mit 14 unkompliziert den Sportunterricht ausfallen lassen konnte? „Sorry, ich muss mal eben die Beine hochlegen!“ Auch Schwangere haben kein Problem, ihre Bedürfnisse zu artikulieren. Stillen in der Öffentlichkeit, für oder gegen Cellulite und selbst für Vorstandspositionen in DAX-Unternehmen gibt es gewonnene weibliche Kämpfe und daraus resultierende feminine Selbstverständlichkeiten. Es waren unerschrockene Frauen, die dafür eintraten. Nun braucht es neuen Mut, in den Kampf für die Wechseljahre zu ziehen!

Keine Depressionen, kein Hirntumor: Wechseljahre!

Für das menopausierende Selbst einzustehen – für allzu viele Frauen ist das eine Hürde. Die Moderatorin Katja Burkard hat darüber ein Buch geschrieben und spricht über die Wechseljahre heute ganz offen. In einer Talkrunde zum Auftakt der neuen Initiative „Blickwechsel“ erzählt sie, wie schockiert sie war, als ihr bewusst wurde, in welcher Lebensphase sie sich nun befindet: in der absoluten Desinformation!

„Es redete kaum jemand darüber, was mit uns Frauen passiert. Ich dachte zunächst, ich hätte Depressionen. Dann vermutete ich einen Hirntumor. Auf Wechseljahre bin ich nicht gekommen.“ Mit fünf weiteren Frauen sitzt sie an diesem warmen Mai-Tag an der Berliner Spree in einem schicken Konferenzraum. Besins Healthcare hat die Initiative gegründet, um die Wechseljahre zu enttabuisieren. Engagierte Frauen aus Medizin, Wirtschaft und Politik sollen über das Thema aufklären und gesellschaftspolitisch in die breite Öffentlichkeit tragen. Warum das wichtig ist, erzählt etwa Katja Burkard: „Als ich ankündigte, ein Buch über meine Erfahrungen schreiben zu wollen, riet mir eine Branchen-Expertin davon ab. Es könne mein Image schädigen und meine Karriere beenden.“ Der Ratgeber „Wechseljahre? Keine Panik!“ erschien dennoch, „jetzt erst recht!“ Von Imageschaden keine Spur. Wovor also zurückschrecken?

Wer in die Wechseljahre kommt, wird unsexy. Denken die meisten.

Miriam Stein, Wechseljahres-Aktivistin, weiß woher die Angst kommt. Den Wechseljahren hafte etwas an, dass alle zurückschrecken lässt, erklärt sie. „Für Schauspielerinnen über 45 wird es zunehmend schwer, Rollen zu kriegen, solange Sex-Appeal in unserer Gesellschaft an Fruchtbarkeit geknüpft ist. Die Astralprojektion der Sexyness ist für die Mehrheit 35 Jahre alt.“ Der Umkehrschluss also: Wer sich als menopausierend, pre oder post, outet, schießt sich selbst ins Sex-Aus.

Spätestens im beruflichen Kontext dürfte dieses Argument – außer derer im Rampenlicht – eigentlich nicht mehr relevant sein. Welche Frau in leitender Position möchte wegen ihrer körperlichen Reize respektiert werden und während eines Vortrags als sexy wahrgenommen werden? Die wenigsten, ist anzunehmen. Und doch gehört ungemein viel Mut dazu, zuzugeben, dass die fehlenden Worte von hormonell bedingtem Brainfog kommen – und nicht von schlechter Vorbereitung. Dass in dem neuen Büro statt dem höhenverstellbaren Schreibtisch gegen Rückenschmerzen ein Ventilator gegen Schweißausbrüche wünschenswert wäre. Und dass die Hormoncreme ins Handgepäck gehört, weil sie den Alltag rettet – und nicht am Security-Check im Müll landen darf, weil sie 120 ml beinhaltet ...

Neue Bedingungen für jahrtausendealte Bedürfnisse

Das Pharmaunternehmen Besins Healthcare, Gründer der Initiative „Blickwechsel“, hat jüngst eine Forsa-Umfrage in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse untermalen die Wichtigkeit solcher Initiativen und Bemühungen, mutigen Frauen Raum und Gehör zu geben. Denn: 69 Prozent der über 1.000 befragten Frauen zwischen 45 und 60 fühlen sich durch die Wechseljahre in ihrem körperlichen Befinden beeinträchtigt, knapp die Hälfte ist mit dem eigenen Erscheinungsbild unzufrieden, immerhin 39 Prozent haben das Gefühl, in ihrem Berufsleben und 38 Prozent in ihrem Sexualleben belastet zu sein. Es braucht mutige Frauen in Führungspositionen, laute Frauen in den Medien, beharrliche Frauen in den Arztpraxen. Frauen, die sich stark machen für ihre eigenen Bedürfnisse und Befindlichkeiten und die für neue Bedingungen kämpfen – für sich und für all die anderen Frauen, die sich selbst nicht trauen. Damit sie irgendwann bald hoffentlich ohne Scham und ungeniert sagen können: „Ich kann jetzt gerade mal nicht, ich hab’ Wechseljahre.“

„69 Prozent der über 1.000 befragten Frauen zwischen 45 und 60 fühlen sich durch die Wechseljahre in ihrem körperlichen Befinden beeinträchtigt.“

Das Buch "Wechseljahre? Keine Panik!" von Katja Burkard