Ildikó von Kürthy: „Ich bin nicht mehr so angenehm“

Ein Interview von Eva Meschede

Weniger Nestbautrieb und mehr Diplomatie (Foto: Jaap Strijker)

Sie ist eine der erfolgreichsten deutschen Bestseller-Autorinnen, ihre Lesungen sind Shows, ihr Podcast immer ein spannendes Gespräch. Veränderungen und Neuanfänge sind ihre Lieblingsthemen, dazu gehören auch die Wechseljahre

MAISON MADAME: In Ihrem Podcast erzählen Sie, die Wechseljahre seien quasi über sie hereingebrochen und sie wussten vieles gar nicht, was da passiert?

Ildikó von Kürthy: Ich fühlte mich tatsächlich überfallen und ausgeliefert. Natürlich wusste ich, das kommt irgendwann, hatte aber die heimliche Hoffnung, ungeschoren davon zu kommen. Ich war nur mäßig gut informiert, von einer Perimenopause hatte ich zum Beispiel noch nie gehört. Als es dann losging, war es wie bei bei Geburten, ersten Lieben und anderen Welt erschütternden Dingen, über die man theoretisch Bescheid weiß, sie aber noch nicht erlebt hat. Hitzewallungen in der Theorie sind deutlich angenehmer als im echten Leben. Ich suchte Rat und Hilfe und mir wurde klar, dass die Wechseljahre viel mehr sind als die Symptome, die sich bis dahin auch zu mir als Laiin herumgesprochen hatten.

Was sind diese Jahre für Sie? 

Die Wechseljahre gehen nicht vorbei. Es ist nicht so, dass man sagen kann: Augen zu und durch, in drei oder fünf Jahren ist alles so, wie es vorher war. Es wird nie wieder so, wie es war. Die Wechseljahre sind Teil des natürlichen Alterungsprozesses. Es ist der Beginn einer ganz neuen Lebensphase. Abschied und Neubeginn. Die Hormone, die verschwinden, verändern mich als Person. Es gibt Stimmungsschwankungen, Traurigkeit, Gereiztheit, aber auch positive Veränderungen, wie eine neue Ernsthaftigkeit und Strenge. Ich lache nicht mehr über jeden doofen Witz. Ich übernehme mehr Verantwortung für mein eigenes Wohlbefinden, für meine Stärken und Schwächen. Das hat mit dem Zuwachs von Lebensweisheit und dem Schwinden von Östrogen zu tun, ein Hormon, das alles im Leben ein wenig weichgezeichnet hat.

Wenn das Weichzeichner-Hormon Östrogen weg ist, hinterlässt das eine gewisse Klarheit und Direktheit?

Natürlich gibt es jede Menge unangenehme Beschwerden wie Schlaflosigkeit und Konzentrationsschwäche. Das hat dann mit Klarheit nicht viel zu tun. Aber es schwindet auch der Nestbautrieb, der Wunsch Konflikte zu meiden und möglichst diplomatisch sein zu wollen.

Schriftstellerin Ildikó von Kürthy (Foto: Sonja Tobias)

Haben Sie gemerkt, dass Sie selbst direkter geworden sind?

Ich bin nicht mehr so angenehm. Anschmiegsam war ich noch nie, aber ich bin jetzt nicht mehr höflich, wenn mir nicht danach ist. Ich halte nichts mehr aus. Ich gehe, wenn ich müde bin. Ich bin kritischer geworden. Heute war ich zum Beispiel nach längerer Zeit mal wieder im Sportstudio. Ich fragte Kurs-Teilnehmerin, wen sie als Rücken-Trainerin empfiehlt. Die Frau sagte: „Die Kathi ist Anfang 20 und echt süß.“. Da bin ich wirklich bisschen schnippisch geworden und habe zurückgefragt, was das über ihre Qualifikation als Trainerin aussage? Was heißt denn süß? Ist die Trainerin jetzt gut? Ist sie schlecht? Süß ist doch keine Empfehlung. Das ist auch selten etwas, was man über einen Mann sagen würde. Ich hoffe nicht, dass man mich süß nennt. Lieber zartbitter. Und da fiel mir auf, dass ich relativ hellhörig geworden bin, vielleicht auch überempfindlich oder zänkisch?

Es ist eine Zeit der Wandlung. Zu was werden wir Frauen denn jetzt?

Die Frage klingt ja so, als wären wir irgendwann fertig verwandelt. Das sind wir nie. Die Entwicklung und die Herausforderungen hören nicht auf. Nicht mit 50 und auch nicht mit 60, 70 oder 80. Der Wandlungsprozess nimmt kein Ende. Es gibt aber fordernde Phasen und etwas ruhigere. Die Wechseljahre sind für Frauen besonders herausfordernd, weil viel zusammenkommt. Die körperlichen Veränderungen, die hormonelle Umstellung, die Kinder gehen aus dem Haus, die Eltern werden alt, müssen womöglich gepflegt werden, sterben. Die Ehen werden marode und müssen aktualisiert werden. Der Mann ist womöglich schon etwas älter und eher gemütlich Richtung Rente unterwegs, während die Frau noch mal so richtig Feuer unterm Hintern hat. Da ist schon ganz schön viel los in unseren Leben.

Werden wir schließlich zur alten weißen Frau oder zur alten weisen Frau?

Meine Überzeugungen entsprechen nicht meinen Prägungen. Ich gehöre zu der Generation, die vom Patriarchat sozialisiert wurde. Mit einem dominanten, männlichen Familienoberhaupt, männlichen Vorbildern, einer rein männlich strukturierten Gesellschaft. Meine Helden in der Kindheit hießen Batman und Arpád der Zigeuner. Das alles habe ich in meiner Sozialisations-DNA. Ich fürchte, das kriege ich im Leben nicht mehr ganz raus. Aber ich beobachte mich diesbezüglich sehr genau. Wenn mir auffällt, dass ich drohe, zur alten weißen Frau zu werden, dann wehre ich mich dagegen. Meine Weisheit ringt mit meiner Weißheit.

Der aktuelle Roman von Ildikó von Kürthy