Ich werde keine unsichtbare Frau in Beige

Ein Essay von Birgit Buchholz-Rassy

Warum sollte man sich ab einem gewissen Alter verstecken? (Foto: Jaap Strijker)

Unsere Autorin verabschiedet sich nicht von Farbe und Erotik, nur weil sie über 50 ist. Das Einzige, was gehen darf: der Satz „Da musst Du durch“

Gefühlt bin ich seit 15 Jahren in den Wechseljahren. Damals entwickelte ich zusammen mit wunderbaren Kolleg*innen eine Zeitschrift, bei der die Themen und Geschichten auf die moderne Frau ab 45 zugeschnitten sein sollten. Heißt: positiv, offen, selbstbestimmt. Es war in der Medienlandschaft ein ziemliches Novum, Worte wie Wechseljahre oder Scheidentrockenheit in einer Frauenzeitschrift zu lesen und Frauen über der 40 auf dem Cover zu sehen. Obwohl selbst noch nicht in der Menopause, hatte ich also beruflich täglich damit zu tun. Mit inspirierenden Frauen, die sie gerade erlebten. Und mit Experten*innen, die mir in Interviews all die Fragen beantworteten, für die meine Mutter stets nur ein sanftes Lächeln und den „Ach, Kind, da muss nun mal jede Frau durch“-Satz übrig hatte.

Man kann sagen, ich war und bin durch meinen Beruf überdurchschnittlich gut informiert, was dieses Thema betrifft. Ich weiß, dass die Beschwerden und Begleiterscheinungen so vielfältig wie die Frauen sein können, die sie betreffen, und von den bekannten Schweißausbrüchen bis hin zu Gelenkschmerzen, Herzklopfen und trockener Haut reichen können. Vor allem Dingen habe ich in den Gesprächen, Diskussionen und Begegnungen erfahren und gesehen, dass man all das nicht hinnehmen muss, wenn man nicht will. Und dass man nicht automatisch zur viel zitierten „beigen Klimax-Frau“ wird. Ich habe gelernt, dass Hormone oder bioidentische Hormone, TCM, Sport, Akupunktur, Meditation, Yoga, eine Ernährungsumstellung und, ja, auch Botox und die richtige Pflege helfen, vor allem aber auch die eigene Attitude eine wichtige Rolle spielt.

Role-Models wie Marie Bäumer, Iris Berben, Naomi Watts, Juliette Binoche oder Maye Musk zeigen auf ermutigende Weise, dass mein Frausein und meine Erotik oder gar mein Lebenssinn nicht abrupt enden, wenn die Periode ausbleibt, wie Simone de Beauvoirs 1970 beklagte: „Noch verhältnismäßig jung verliert die Frau den erotischen Anreiz und die Fruchtbarkeit, aus denen sie in den Augen der Gesellschaft und in ihren eigenen Augen die Rechtfertigung ihrer Existenz und ihre Glücksmöglichkeiten ableitete: Ihrer ganzen Zukunft beraubt, hat sie etwa die Hälfte ihres Lebens als Erwachsene vor sich.“

Daher bin ich auch relativ entspannt geblieben, als dann mit 47 meine Perimenopause mit unregelmäßigen Monatsblutungen, durchwachten Nächten und überfallartigen Weinkrämpfen wegen Nichtigkeiten und an den unmöglichsten Orten (in der Warteschlange im Supermarkt, während der Redaktionskonferenz 🙈) an die Tür klopfte. Ich sagte „Hallo“ zu meinen Wechseljahren und ließ sie herein. Abwimmeln wäre zwecklos gewesen. Aber ich wies sie unter Anleitung meiner Gynäkologin und im Verbund mit der Hautärztin und der Kosmetikerin meines Vertrauens, meinen Laufschuhen, meinem wöchentlichen Yoga-Kurs, meiner Heilpraktikerin und meiner neuen Vorliebe für vorwiegend fleischlose, aber dafür pflanzen(protein)reiche Kost in ihre Schranken. Das klappt alles in allem sehr gut. Klar gibt es auch mal richtig miese Phasen, in denen ich diese „verdammten“ Wechseljahre verfluche. Aber solche Tage hatte ich davor auch immer wieder, vor allem vor meiner Periode.

Bis heute habe ich mich nicht in die unsichtbare Frau in Beige verwandelt, die in der Gesellschaft übersehen wird. Ich habe auch nicht die Absicht eine zu werden. Ich nehme mich weiterhin als attraktiv und selbstbewusst wahr. Ich werde immer noch angeflirtet, mein Mann findet mich noch genauso sexy wie „davor“, fremde Frauen fragen mich nach meiner Lippenstiftfarbe, Freundinnen und Kolleginnen rätseln, „bist Du eigentlich schon drin? Du müsstest ja theoretisch, aber Du siehst so gar nicht danach aus“. Ja, ich bin drin. Und das Wichtigste: Ich fühle mich gut damit. Vielleicht liegt es daran, dass ich die Wechseljahre nicht als Krankheit, sondern wie meine Mutter, als eine Phase in meinem Leben annehme. Allerdings mit dem Unterschied, dass ich heute im Jahr 2022 so unendlich viel mehr medizinische und kosmetische Möglichkeiten habe als sie damals, um so gut und entspannt durch diese Zeit zu gehen.

„Ich sagte „Hallo“ zu meinen Wechseljahren und ließ sie herein. Abwimmeln wäre zwecklos gewesen“