Ich kann so doch nicht arbeiten!

Ein Interview von Eva Meschede

Fluchtgedanken? Bitte nicht wegen der Wechseljahre (Foto: Adriano Russo)

Kürzer treten wegen der Wechseljahre? In der Arbeitswelt ist die Menopause noch ein Tabu. Frauen leiden heimlich – oder kündigen und verschweigen die Gründe. Dr. Natalie Lotzmann, Chief Medical Officer beim Software-Unternehmen SAP, möchte das ändern

MAISON MADAME: Frau Dr. Lotzmann, warum ist das Thema Wechseljahre im Berufsleben so wichtig?

Dr. Natalie Lotzmann: Weil es so viele Frauen betrifft. Dabei ist die Menopause keine Krankheit, sondern ein natürlicher Übergang in eine andere Lebensphase. Der Hormonentzug trifft jede Frau irgendwann, somit 50 Prozent der Menschen. Ein Drittel davon haben dabei keine oder wenig Beschwerden, ein Drittel gelegentlich und mittelschwere Beschwerden und ein Drittel haben ausgeprägte, starke Beschwerden. Das verschämt zu verbergen, kostet zusätzliche Energie, oder treibt die Frauen in die Unsichtbarkeit. Dabei könnte eine verständnisvolle Umgebung es so viel leichter machen.

Warum haben Sie sich entschlossen, das Thema anzugehen?

Da ich als Leitung des Gesundheitsbereichs selbst zu dem schwer betroffenen Drittel gehöre, war es mir wichtig, voranzugehen und auch anderen zu helfen, offen damit umzugehen. Die Botschaft ist: „Du bist nicht allein – lass Dich beraten und finde Deinen persönlichen Weg“.

Mein Weg ist es, bei Bedarf einen Fächer und einen Miniventilator zu nutzen oder, wenn manchmal alles nicht hilft, die Kamera beim Meeting auszumachen oder den Raum kurz zu verlassen, und Kühlung zu suchen. Wichtig ist es sich nicht zu schämen, im Team einmal darüber zu sprechen, aber dann einfach zu machen, wie es für einen am besten ist.

Wie kommt die Kampagne bei den Mitarbeitenden an?

Es gab eine erstaunlich hohe Resonanz. Wir sind mit einem großen Event gestartet, einer moderierten virtuellen Informationssession, von einer super professionellen Kollegin aus der Personalabteilung moderiert. Wir hatten medizinische und psychologische Informationen, Interviews mit Betroffenen und alle 600 Teilnehmenden konnten Fragen stellen. Dass auch Männer dabei waren, fand ich besonders erfreulich. Die Gründe haben mich natürlich interessiert. Eine Führungskraft sagte, er habe Frauen in seinem Team, die wahrscheinlich bald in die Situation kämen, er möchte das besser verstehen und vorbereitet sein. Ein anderer meinte, bei seiner Frau stünde das bevor und er möchte sich informieren, um sie bestmöglich zu unterstützen. Solche Reaktionen wären vor ein paar Jahren kaum vorstellbar gewesen.

„In dem Wort Gleichberechtigung steckt ja auch das Wort Recht. Und wir müssen auch im Berufsleben das Recht haben, Frau zu sein, ohne benachteiligt zu werden.“

Dr. Natalie Lotzmann, Chief Medical Officer bei SAP