Kann ich schon in den Wechseljahren sein?

Ein Interview von Nicole Lauscher

Auf dem heißen Stuhl (Foto: Diane Betties)

Viele Frauen haben sich noch nie Gedanken über die Wechseljahre gemacht, wenn sie mit ersten Symptomen in die Praxis von Dr. Elke Philipp kommen. Was Patientinnen am häufigsten fragen

Sind Hormone gefährlich? Muss ich die jetzt immer nehmen? Und was hilft gegen diese nervigen Stimmungsschwankungen? Mit den Wechseljahren tauchen auf einmal viele Fragen auf. Die Gynäkologin Dr. Elke Philipp aus München hat sich die Zeit genommen, diese in Ruhe zu beantworten – auch für uns.

Frau Dr. Philipp, mit der Gynäkologin sollte man ja über alles sprechen können. Gibt es dennoch ein Thema, dass Patientinnen am liebsten vermeiden?

Dr. Elke Phillipp: Scheidentrockenheit sprechen viele nicht von sich aus an. Wenn Frauen in in einem gewissen Alter ein Brennen oder Jucken im vaginalen Bereich haben, ist diese meist die Ursache. Das Thema ist wichtig, weil die Trockenheit nicht nur Auswirkungen auf den Sex, sondern auch auf die Blasenfunktion haben kann.

Wie hängt das denn zusammen, und vor allem; was hilft?

Bei vaginaler Trockenheit ist der Blasenausgang in der Regel auch betroffen: Er schließt nicht mehr so dicht, wenn er nicht feucht genug ist. Die Folge ist die sogenannte Stressinkontinenz beim Husten, Niesen oder Lachen. Bei leichten Beschwerden helfen Cremes mit Hyaluron und Milchsäure. Bei stärkeren Beschwerden verschreibe ich lokales Östrogen.

Die Wechseljahre sind vor allem auf Social Media aktuell ein heißes Thema. Kommen inzwischen mehr Patientinnen als früher zu Ihnen und sagen: „Ich glaube, ich bin der Perimenopause“?

Frauen kommen eher mit unspezifischen Symptomen wie zum Beispiel Zyklusunregelmäßigkeiten, weil ihre Periode auf einmal stärker oder schwächer ist, weil sie Stimmungsprobleme haben, Schlafstörungen oder weil sie sich Dinge nicht mehr so gut merken können. Dann sage ich ihnen: „Es kann sein, dass das mit den Wechseljahren zu tun hat. Anfang 40 können es die ersten Vorboten sein.“

Die einzelnen Symptome können ja auch andere Ursachen haben. Wie stellen Sie die Diagnose? Zum Beispiel bei Stimmungsschwankungen …

Zuerst mache ich eine gründliche Anamnese: Nimmt die Frau Medikamente, die sich auf die Stimmung auswirken könnten. Wie verhütet sie? Nimmt sie die Pille? Hat sie eine Spirale? Das könnte die Ursache sein. Falls nicht, würde ich einen Hormontest machen.

Worauf achten Sie hier?

Ich schaue mir Östrogen, Progesteron und die männlichen Hormone an. Außerdem die sogenannten Hypophysen Hormone. Diese werden von der Hirnanhangsdrüse gebildet und wirken sich stimulierend auf die Eierstöcke aus. Sind sie erhöht, kann das ein Zeichen sein, dass die Eierstöcke nicht mehr gut reagieren – selbst wenn die Werte für Östrogen und Progesteron noch normal sind.

Wenn man überhaupt nicht damit rechnet, ist die Diagnose Wechseljahre im ersten Moment sicher ziemlich irritierend.

Manche Frauen sind tatsächlich sehr erschrocken. Sie denken, sie sind von heute auf morgen in der Menopause und können nicht mehr schwanger werden. Ich erkläre ihnen dann, dass es manchmal 10 Jahre dauert von ersten Anzeichen bis zur letzten Periode. Es gibt jetzt Zyklen mit und ohne Eisprung. Es ist nicht mehr so getaktet, wie mit 30.

Und dann sind die Frauen beruhigt?

Die Wechseljahre sind noch immer ein Tabu. Vielen denken: Jetzt ist es vorbei. Nicht wegen der ausbleibenden Periode, das erleben die meisten Frauen als Segen. Aber der Gedanke: Jetzt werde ich alt – das ist ein Thema. Durch den Östrogenmangel wird der Alterungsprozess beschleunigt. Das ist fast keiner Frau egal. Aussehen, Sexualität, berufliches Standing: Das hängt für viele auch heute noch mit Jugend zusammen.

Was können Frauen tun, um diesen Prozess zu verlangsamen?

Zunächst einmal natürlich auf einen gesunden Lebensstil achten: ausreichend Bewegung, Krafttraining, eine gute Ernährung, regelmäßig Entspannung – das spielt jetzt eine besonders wichtige Rolle. Bei konkreten Beschwerden, wie Schlafstörungen, Gedächtnisproblemen oder Stimmungsschwankungen gibt es zudem viele Möglichkeiten, mit pflanzlichen Mitteln entgegenzuwirken. Reicht das nicht aus, gibt es natürlich die Option, Hormone zu nehmen.

Viele Frauen lehnen die Hormontherapie ab, weil sie ein gesteigertes Brustkrebsrisiko fürchten. Was raten Sie denen?

Studien zeigen, dass eine moderne Hormontherapie, bei der naturidentisches Östrogen als Pflaster, Gel oder Spray über die Haut aufgenommen wird und Progesteron als Kapsel vor dem Schlafengehen, das Brustkrebsrisiko in den ersten fünf Jahren der Anwendung nicht erhöht. Dauert die Anwendung mehr als fünf Jahre, dann steigt für fünf von 10.000 Frauen das Risiko. Demgegenüber stehen aber viele positive Effekte der Therapie: Die Risiken für Alzheimerdemenz und Darmkrebs werden reduziert, ebenso sinkt die Gefahr, Osteoporose zu entwickeln oder einen Herzinfarkt.

Klingt fast so, als sollte jede Frau Hormone nehmen …

Ich verschreibe keine Hormone ohne Grund, sondern nur, wenn Beschwerden da sind. Wichtig ist auch, dass man zeitig mit der Behandlung startet: spätestens fünf Jahre nach der letzten Blutung. Nach zwei bis drei Jahren kann die Frau dann schauen, wie es ihr geht und ob sie die Therapie langsam ausschleichen möchte.

Dr. Elke Philipp ist Gynäkologin mit eigener Praxis in München