Hasta la vista, Hallux!

Ein Artikel von Susanne Opalka

Wer schöne (oder schmerzfreie) Füße will, ... (Foto: Jaap Strijker)

Die Hallux-valgus-Operation ist die häufigste Fußkorrektur. Entscheidend für den Erfolg sind Können und Erfahrung der Chirurg*innen. Wie sich der Eingriff anfühlt, schildert eine Patientin

Rund zwei Jahre lang habe ich die Entscheidung immer wieder weggeschoben. Obwohl mein rechter Fuß mir rein optisch schon länger nicht gefiel und inzwischen ständig schmerzte. Selbst bequeme Schuhe drückten, in der Auswahl war ich eh schon eingeschränkt, und Riemchensandalen gingen schon lange nicht mehr. Die Beratung bei dem Arzt, der den Hallux valgus meiner Mutter operiert hatte, überzeugte mich nicht. Als zu den Schmerzen, meist abends in Ruhe, noch ein Pochen im Knochen kam, fürchtete ich eine Arthrose. Auf Empfehlung einer ­Kundin ging ich dann zu ihrem Chirurgen. Meine Mutter musste inzwischen tatsächlich zum zweiten Mal operiert werden.

Frauen sind vier- bis fünfmal häufiger betroffen als Männer

„63 Prozent der Hallux-valgus-Patient*innen haben eine familiäre Disposition, das ist inzwischen durch Studien belegt“, weiß Dr. Sabine Bleuel, ­Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie in Hamburg. „Frauen sind vier- bis fünfmal häufiger betroffen als Männer.“

Mein Arzt nahm meinen Fuß in die Hand, wie bei einem Baby, und war gleich sicher: „Das kriegen wir mit einem minimalinvasiven Eingriff schnell wieder hin.“ Natürlich kommt es immer darauf an, wie empfindlich man ist, und vielleicht gehöre ich zur supersensiblen Kategorie, aber diese OP ist kein Spaziergang. Selbst bei einem milden Hallux valgus, wie in meinem Fall. Hier wird ein Knochen durchgesägt! Das muss man deutlich sagen. Minimalinvasiv klingt immer so harmlos. Aber im Endeffekt bedeutete es nur, dass die Schnitte in die Haut – bei mir waren es drei an der Seite des Fußes – sehr klein sind und damit auch die späteren Narben. Die reine Operation hat ungefähr 40 Minuten gedauert, in Vollnarkose, und darüber bin ich froh. Das Ganze möchte ich nicht unter lokaler Betäubung erleben. Auch die zwei Tage zur Beobachtung in der Klinik fand ich sehr beruhigend.

Minimalinvasiv klingt harmloser als es ist

Entsprechend des Schweregrades der Hallux-valgus-Deformität werden auch die Operationsverfahren in drei Kategorien eingeteilt – mild, moderat und schwer. „In allen Verfahren passiert grundsätzlich dasselbe“, so die zertifizierte Fußchirurgin Bleuel. „Der erste Mittelfußknochen wird ungefähr in Höhe des Ballens oder Mittelfußes zersägt, wieder neu zusammengesetzt und mit einer Schraube, Klammer oder mit Draht fixiert.“ Dabei spielt das Material, ob nun Titan, menschlicher Knochen oder Kunststoff, die geringste Rolle. Entscheidend sind Erfahrung und Technik der Chirurg*innen. „Das gilt insbesondere für den minimalinvasiven Eingriff, schließlich sieht der Operierende nichts, das Innere des Fußes muss immer wieder per Röntgenbild überprüft werden.“

Es war schon heftig, als ich die Bilder nach der OP sah, und vorher und nachher vergleichen konnte. Nicht nur mein großer Zeh war geradegebogen worden und mit einer Titanschraube fixiert, die war ganze sieben Zentimeter lang! Auch der zweite Zeh war begradigt worden. In ihm steckte eine halb so große Schraube.

Bindegewebsschwäche kann eine Ursache sein 

Der eigentliche Übeltäter ist nicht der Knochen – Hallux (Zehe) valgus (schief, gebeugt) ist kein Überbein –, sondern der Muskel, der den großen Zeh nach außen zieht. Dieser Muskel verliert an Aktivität, der Gelenkkopf des ersten Mittelfußknochens tritt allmählich hervor. „Warum, wissen wir bis heute nicht genau, aber ein entscheidender Faktor scheint das Bindegewebe zu sein. Schwächelt es – erblich und/oder durch Wechseljahre bedingt – tritt sich der Fuß nach und nach durch, die Muskeln rutschen an die falsche Stelle. Wie auf einem Schiff, wenn das Segel durchhängt. Um im Bild zu bleiben: Seile und Segel müssen optimal am Mast gespannt sein, aber flexibel bleiben. So operiere ich auch. Wir setzen den Mast gerade, aber auch das Drumherum, Sehnen, Muskel dürfen nicht zu stark gerafft oder zu wenig ausgerichtet sein“, erklärt Dr. Bleuel.

Direkt nach der OP war alles okay, da war noch eine Betäubung im Fuß. Aber zu Hause, ab der dritten Nacht, wollte ich mir den Fuß abreißen, mir war schlecht vor Schmerzen. Meinen Sohn habe ich damals per Kaiserschnitt bekommen, das war auch nicht ohne, aber kein Vergleich … Der Arzt hätte in der Aufklärung deutlicher sein können. Von Schmerzen war keine Rede. Aus Sicht der Operierenden ist der beste Zeitpunkt für einen Eingriff eindeutig früh, nämlich schon dann, wenn die Fehlstellung der Großzehe außer Schmerzen noch keine weiteren Beschwerden hervorgerufen hat. Je weniger Nebenbeschwerden, desto einfacher die OP, desto zufriedener die Patient*innen. Sie betrifft dann nur die Großzehe, was weniger Narben und weniger Schmerzen bedeutet.

Bitte mehr Schmerzmittel 

Drei Wochen bin ich konsequent an Krücken gegangen, ohne Hilfe funktionierte da nichts. Ab und zu durfte ich den Fuß leicht belasten – mit bis zu 20 Kilo. Ganze acht Wochen fiel ich im Job aus. Aber auch danach konnte ich nicht voll durchstarten: Immer wieder musste ich das Bein hochlegen, ständig kühlen, der Spann, der Fußrücken schwoll noch Monate später an. Nach einem halben Jahr inklusive Physio kam ein gutes Fußgefühl zurück. Und nach einem Jahr sah alles tipptopp aus. Die drei kleinen Narben sind kaum noch zu sehen. Eine Hochzeitsfeier habe ich auf High Heels durchgestanden – und sogar getanzt. Jede OP am Knochen braucht sechs bis acht Wochen Heilungszeit. Knochen heilen nur unter Ruhe und mit kontrollierter Belastungssteigerung.

Heute, zwei Jahre später, belaste ich den Fuß viel, stehe beruflich den ganzen Tag, gehe auch wieder joggen. Mein rechter Fuß ist jetzt schmaler als der linke. Sollte der irgendwann anfangen zu schmerzen, werde ich ihn auf jeden Fall auch operieren lassen. Allerdings verlange ich dann gleich viel stärkere Schmerzmittel!

„Mein großer Zeh wurde begradigt und mit einer sieben Zentimeter langen Titanschraube fixiert“

Patientin Daniela M.

Dr. Sabine Bleuel, ­Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie in Hamburg