Beine in Bestform

Ein Artikel von Anne Wüstmann

Vorsicht, Beine hoch! (Foto: Olivier Yoan)

Schöne Beine sind ein Gesamtkunstwerk – und bleiben für viele Frauen ab 40 ein Traum. Was Haut und Gewebe guttut und was die Muskeln nachhaltig definiert

Was heute schöne Beine ausmacht? Den meisten Frauen geht es Studien zufolge gar nicht mehr um die Länge. Ihr Ziel ist vielmehr ein athletisch-femininer Look: wohlproportionierte Stärke gepaart mit Grazie als Sinnbild für eine gesunde Lebensweise. Orangenhaut an den Oberschenkeln oder Knubbelknie sind aber auch kein Grund zu verzweifeln. Wer den optischen Störern entgegenwirken will, kann selbst aktiv werden oder einen Experten aufsuchen. Ob smarte Trainingsroutinen, neue Massagetools oder innovative Treatments beim Profi, die Auswahl an beinverschönernden Maßnahmen ist groß. Und wenn es weniger um die perfekte Optik, sondern eher um Wellbeing geht: Der Weg zu Wohlfühlbeinen ist kürzer als gedacht.

Das Dellen-Dilemma

Sie trifft fast alle, selbst die ganz Schlanken: Bis zu 90 Prozent aller Frauen leiden unter Cellulite. „Wir unterscheiden nach oberflächlicher und tiefer Cellulite“, erklärt Dr. Christian Stanger, Facharzt für Dermatologie, Venerologie und Phlebologie in der Rosenpark Klinik in Darmstadt. „Das, was man als ,Orangenhaut‘ am seitlichen Oberschenkel sieht, ist die oberflächliche Variante. Erscheinen Dellen, wenn man den Po anspannt, handelt es sich um die tiefe Cellulite.“ Und was dagegen tun? Mit koffeinhaltigen Cremes lässt sich das Hautbild verbessern. Um langfristig das Bindegewebe zu straffen, braucht es aber Unterstützung von Expert*innen.

Einen Hype erlebt gerade die Maderotherapie aus Südamerika, bei der das Gewebe tiefenwirksam mit Holzspatel und -walzen bearbeitet wird. Die größten Erfolge erzielen jedoch non- und minimalinvasive Cellulite-Behandlungen, wie etwa die Radiofrequenz-Therapie, das Radiofrequenz-Needling oder spezielle Ultraschall-Treatments, da sie Durchblutung, Zellstoffwechsel und die Kollagenneubildung nachhaltig anregen. „Sehr effektiv ist bei diesen Therapien die Kombination mit kollagenstimulierenden Substanzen wie ‚Radiesse‘ oder ‚Sculptra‘“, sagt Dr. Stanger. „Injiziert man diese verdünnt in das Gewebe und behandelt etwa vier Wochen später mit Radiofrequenz- oder Ultraschallenergie, verstärkt sich der Effekt.“

Bei einzelnen tiefen Dellen eignet sich die minimalinvasive Methode „Cellfina“, bei der ­gezielt Bindegewebszüge unter der Haut getrennt werden, sodass sich die Haut wieder entspannt. Gegen schwere Cellulite hilft der einmalige operative Einsatz einer dünnen Sonde, die unter der Haut mit Radiofrequenzplasma oder Laserenergie das Gewebe strafft – oft verbunden mit einer Fettabsaugung (von etwa 300 bis 6000 Euro).

Wer schon mal im Bikini Yoga gemacht hat (ganz ehrlich, davon kann man nur abraten!), kennt den Anblick beim „herabschauenden Hund“: Fiese Fältchen oder unförmige Knubbel oberhalb der Knie starren einen an. Die altersbedingten „Kninkles“ (engl. Knee + Wrinkles) lindert ebenfalls die Kombi aus einem Kollagenstimulator und einer Radiofrequenz-Therapie oder einem Radiofrequenz-Needling. Meist sind zwei Behandlungen nötig, dann hat man aber zehn Jahre Ruhe (um 700 Euro pro Behandlung). Ein Knielifting ist laut Dr. Stanger ein schlechter Deal: „Die Fältchen entstehen aufgrund der Tatsache, dass Sie Ihr Knie beugen können. Nach einem Lifting haben Sie eine Narbe über dem Knie. Sie beugen es dann die nächsten fünf Jahre fleißig weiter, danach sind die Falten wieder da und obendrein die Narbe.“

Wölben sich kleine Fettpölsterchen in Form von Knubbeln über der Kniescheibe, kommt die Fettwegspritze zum Einsatz (um 300 bis 500 Euro). Bei richtigen Wülsten über den Knien rät der Experte zu einer Fettabsaugung (ab 3000 Euro).

Zu stramme Waden? Eine Botoxinjektion in den Wadenmuskel kann helfen: Der „Calf Job“ wirkt wie eine Muskelbremse, die Wade wird schlanker, ohne dadurch an Kraft einzubüßen (um 600 Euro).

Femininer Feinschliff

Die Beine so zu trainieren, dass eine sanfte Muskeldefinition kreiert wird, ist eine Kunst. Einer, der sie beherrscht, ist der New Yorker Personal Trainer Derek Nicholas. Er hat jahrelang Models für die New Yorker Fashion Week in Form gebracht und sorgt jetzt für ausgebuchte Kurse in seinem Münchner Studio (time-to-shine.com). Geht es um schöne Beine, setzt er den Fokus auf den Bereich oberhalb der Knie: „Bestimmte Übungen lassen den vorderen Oberschenkel über den Knien zu muskulös werden – dann sieht es quadratisch aus. Definierter wird es, wenn der Bereich um das Knie schmal bleibt und ein leichter Schwung zum Oberschenkel führt.“ Nicholas empfiehlt deshalb, auf zu schwere Gewichte, exzessives Spinning und Rudern sowie explosive Übungen zu verzichten und bei Kniebeugen die Beine immer weiter als hüftbreit aufzustellen.

Trainingsprogramm für die Beine

1. Quad Extensions
Auf einen Stuhl setzen, Gewichtsmanschetten (bis 2 kg) um die Knöchel legen, die Unterschenkel langsam parallel zum Boden anheben, gestreckt halten und wieder senken (40 Wdh.).

2. Wide Leg Squats
Die Beine weiter auseinanderstellen, die Fußspitzen zeigen nach außen. Mit geradem Rücken das Gesäß zu einer tiefen Kniebeuge senken und wieder aufrichten (3 x 15 Wdh.).

3. Straight Leg Deadlifts
Eine kleine Kettlebell (etwa 5 kg) mit beiden Händen halten, aufrecht stehen und mit gestreckten Beinen den Oberkörper gerade nach vorne beugen, bis er parallel zum Boden ist, wieder aufrichten (2 x 25 Wdh.).


Von reinen Leg Days hält Nicholas übrigens nichts, Beintraining sollte immer Teil eines Ganzkörper-Workouts sein. Sein Wochenplan: zwei Full Body Workouts, gepaart mit zwei Cardioeinheiten (Joggen, Seilspringen oder Boxen).

Übrigens: Auch Pilates und Barre trainieren nach diesen Prinzipien, schon 20 Minuten täglich formen die Beine nachhaltig (z. B. Melissa Wood Health App).

„Es gibt unzählige Möglichkeiten, eine Übung auch ohne Gewichte zu steigern. Etwa indem man sie langsamer macht, den Bewegungsradius verkleinert, sie unter Spannung hält, mehrere Wiederholungen absolviert oder auf weichem Untergrund trainiert“

Derek Nicholas, Personal Trainer in München