Anastasia Soare: Die Königin der Brauen

Anastasia Soare lehnt sich nach vorn und setzt am Anfang ihrer Augenbraue an, direkt neben der Nasenwurzel. „Hier ist es etwas dünn“, sagt sie und zeichnet mit dem „Brow Pen“, einem Augenbrauenstift, der wie ein Kalligrafie-Pinsel geformt ist, winzige Härchen auf die hellen Stellen. Auch sie habe in den 90er-Jahren den Fehler gemacht und ihre Augenbrauen so überzupft, dass die Haare an manchen Stellen nicht mehr nachgewachsen sind. „Meine Augenbrauen waren rund und so dünn, als habe man sie mit einem Bleistift gezeichnet“, erzählt sie. „Auf Fotos von damals habe ich immer so einen überraschten Ausdruck in meinem Gesicht.“

Fast wie ein Pinsel: „Brow Pen“ mit feiner Spitze für natürlich aussehende Augenbrauen, von Anastasia Beverly Hills, um 27 Euro

Dieser Fehler passiert Anastasia Soare heute nicht mehr. Als Gründerin und Chefin des amerikanischen Kosmetiklabels Anastasia Beverly Hills gilt die Unternehmerin als eine der ersten, die Frauen weltweit auf die Bedeutung der Augenbraue für das Gesicht aufmerksam machten und Augenbrauenpflege als selbstverständlichen Bestandteil der Beauty-Routine etablierten. Auf 500 Millionen US-Dollar schätzt das Wirtschaftsmagazin „Forbes“ den Wert ihres Unternehmens, das Augenbrauenstifte, -bürsten und -gels anbietet und inzwischen auch mit Make-up-Produkten für die Augen, Lippen und das Gesicht expandiert hat. Soare sitzt während des Interviews, das via Zoom stattfindet, in ihrem Büro in Los Angeles und sieht aus wie eine top-gestylte kalifornische Power-Entrepreneurin. Zur pinkfarbenen Jacke trägt sie unzählige goldene Armreifen und lange, gewellte Haare, so hell und golden wie der Sandstrand in Santa Monica. Ihre Augenbrauen sind, dem richtigen Werkzeug sei Dank, breit und dicht und formen einen harmonischen Bogen, der über dem inneren Augenwinkel beginnt, direkt vor dem letzten Drittel der Augenbraue seinen höchsten Punkt erreicht und an der Verlängerung einer imaginären Linie zwischen Nasenflügel und äußerem Augenwinkel endet.

Chic: „La Palette Sourcils light“, ein Augenbrauenduo aus Wachs und Puder mit vier Tools inklusive Pinzette, von Chanel, um 54 Euro

Die Form basiert auf dem „Golden Ratio“-Prinzip, einer von Soare entwickelten Methode, mit der man die perfekte Augenbraue für jedes Gesicht bestimmt. Dass sie damit einige der anspruchsvollsten Frauen der Welt überzeugt, beweist auch ein Poster, das hinter der Beauty-Unternehmerin auf einer Kommode steht. Es zeigt signierte Illustrationen von Stars wie Sharon Stone, Oprah Winfrey, Heidi Klum und Kris Jenner – alles Kundinnen und enge Freundinnen von Soare. Sie alle kamen im vergangenen Jahr zu einem Dinner anlässlich ihres 25. Markenjubiläums. „Ich bin diesen Frauen so dankbar, denn mit ihnen hat alles angefangen.“

IP-Stylist: „Brow Perfect 3D All-in-1 Styler“ mit Stift, Puder und Gel für ein perfektes Styling, von Estée Lauder, um 30 Euro

Genauer gesagt fing alles, wie so viele Erfolgs­geschichten, mit einer mutigen Entscheidung an. Soare wurde in Rumänien geboren, wo sie als junge Frau Kunst und Architektur studierte. „Das Leben dort war geprägt vom kommunistischen Regime, man war sehr isoliert, kam nirgendwo hin“, erinnert sie sich. 1989 wanderte sie in die USA aus. „Genauso gut hätte ich auf einem anderen Planeten landen können. Ich sprach kein Englisch, und die ersten sechs Monate habe ich nur geweint. Aber ich wusste, dass ich damit nicht weiterkommen würde.“

Über Nacht: Brow Oil „Whoa So Soft“ pflegt, nährt und schenkt Glanz, von Benefit Cosmetics, um 29 Euro

Bald lernte Soare die Mitarbeiterin eines Schönheitssalons in Beverly Hills kennen, die ihr einen Job verschaffte. Soare begann mit Enthaarungs-Services und Facials – und durfte direkt Cindy Crawford als erste Kundin betreuen. „All die Supermodels kamen zu mir, Stephanie Seymour, Naomi Campbell, Talisa Soto. Ich kannte sie gar nicht, weil ich in Rumänien nie von ihnen gehört hatte.“

Wie eingefroren: „Brow Freeze Gel“ formt und fixiert die Augenbrauen, von Anastasia Beverly Hills, um 30 Euro

In Beverly Hills hörten jedoch bald viele Celebrities von Anastasia Soare. Ihre Kundenkartei wuchs, doch mit ihrem eigenen Aussehen war sie unzu­frieden. Sie merkte, es lag an den Augenbrauen. „Ich erinnerte mich, was ich im Kunstunterricht über den ,Goldenen Schnitt‘ von Leonardo da Vinci gelernt hatte, der Gestaltungslehre, die besagt, welche Proportionen das Auge als besonders harmonisch empfindet.“ Soare entwickelte basierend auf diesem ­Prinzip einen „Goldenen Schnitt“ für Augenbrauen – und wandte die Technik erst an sich selbst und dann an ihren Kundinnen an. Das kam so gut an, dass sie 1992 ihren eigenen Salon eröffnete. Sechs Jahre später durfte sie in der Talkshow von Oprah Winfrey die Augenbrauen ihrer Kundin live vor ­Millionen Fernsehzuschauern behandeln. „Das war mein Oscar-Moment. Danach stand das Telefon nicht mehr still.“

Multitalent: „Eye & Brow Maestro“ ist als Eyeliner, Lidschatten und Augenbrauengel verwendbar, von Armani Beauty, um 30 Euro

Doch warum ist dieser Teil des Gesichts so wichtig? „Die Augenbraue bestimmt deinen Gesichtsausdruck“, erklärt Soare. „Wenn man sich die Stummfilme der 20er-Jahre anschaut, sieht man, dass die Schauspieler sehr dramatisch geformte Augenbrauen trugen. Dadurch sollten ihre Emotionen vermittelt werden.“ Und im normalen Leben? „Die perfekte Augenbraue basiert letztlich immer auf der natürlichen Form und sorgt für Harmonie im Gesicht“, sagt die Expertin. Über Jahrzehnte bevorzugten Frauen jedoch, verschiedensten Trends folgend, nicht immer vorteilhafte Stylings. „Marlene Dietrich und Jean Harlow trugen in den 40er- und 50er-Jahren sehr runde und dünne Augenbrauen, was sie sehr reif ­aussehen ließ.“ Es folgten sich zuspitzende Augenbrauen in den 60ern und 70ern, Wildwuchs-Balken in den 80er-Jahren, Streichholzdünne Bögen à la Kate Moss in den 90ern.

Glamourös: „Diorshow Brow Styler“ mit präziser, herausdrehbarer Mine und Bürstchen, von Dior, um 34 Euro

Trends gibt es natürlich auch heute – vom „laminierten“ Look, also perfekt angeordneten und gerade nach oben gebürsteten Härchen, bis zu gebleichten Augenbrauen. „Das Gute ist, man muss die Brauen nicht kaputt zupfen, um einen bestimmten Look zu erreichen. Es gibt so viele Produkte, dass man ihn einfach für kurze Zeit nachmachen kann.“ Schon greift sie nach einem Brauengel auf ihrem Schreibtisch. Und macht vor, wie es geht.

Vier Trend-Treatments für formvollendete Augenbrauen

Powder Brows

Die Pigmentierung mit ­Permanent-Make-up ist eine Möglichkeit, die Brauen ­dauerhaft aufzufüllen und zu ­verdichten. Dazu werden mit einer feinen Nadel kleine Farbpünktchen zwischen die Brauenhärchen tätowiert. ­Dabei entsteht eine weiche Schattierung, die wie frisch geschminkt aussieht und rund zwei Jahren halten soll.

Microblading

Genau wie die Powder Brows ist auch Microblading ein Semi-Permanent-Make-up. Nur wird die Farbe hier mit einem speziellen Skalpell oberflächlich in die Haut geritzt. Der Effekt ist sehr natürlich, weil so einzelne Härchen nachempfunden werden, aber nicht so haltbar. Die Farbe verblasst nach und nach und hält je nach Hauttyp rund ein Jahr.

Lamination

Eine Art Dauerwelle für die Augenbrauen ist das Brow ­Lifting. Dazu werden die Härchen erst mit einer speziellen Lotion in die gewünschte Form gebracht und anschließend mit Pflegestoffen und Keratin ­umhüllt (laminiert). So wirken die Brauen voller und buschiger, und störrische Härchen bleiben etwa vier bis sechs Wochen in Form.

Straight Brows

Bei diesem Trend wird das hintere (abfallende) Drittel der Augenbraue gezupft oder rasiert und eine horizontale Form mit dem Stift nachgezeichnet bzw. verlängert. Das soll einen optischen Lifting-Effekt haben. Wer den Look nur ausprobieren möchte, kaschiert die Brauenhaare stattdessen mit einem stark deckenden Concealer.